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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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Frau hinter der Theke in verschiedenen Schubladen wühlte, ihre Suche dann achselzuckend abbrach und ihre Hände wieder in das Spülwasser tauchte. Unverrichteter Dinge verließen sie das La dolce vita .

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    Knobel arbeitete sich in den Fall Weinstein ein, nahm die überlassenen Unterlagen zur neu angelegten Akte und hielt in einem Vermerk den Sachverhalt fest. Jedoch schrieb er nicht, dass Rosenboom nach Lage der Dinge dem Käufer den feuchten Keller gezielt vorenthalten und ihn deshalb getäuscht hatte. Er veränderte die Tatsachen nicht, er unterließ es lediglich, die Rückschlüsse schriftlich festzuhalten, die sich unweigerlich aufdrängten. Der Vermerk im Fall Weinstein war rein. Es war die Schilderung einer nachvollzogenen Besichtigung des Kellers im Hause Brunnenstraße 8, ein Gang aus den Augen des Herrn Weinstein, der die Mietskaserne flüchtig in Augenschein genommen, das ausländische Stimmengewirr im Flur gehört, Küchenausdünstungen gerochen und einen kurzen Blick in das Kellergeschoss geworfen hatte, ohne darauf bestanden zu haben, auch den unter dem La dolce vita gelegenen Keller zu besichtigen. Knobel beschrieb, er wertete nicht.
    Er hatte anwaltliche Gepflogenheiten erlernt. Seine Schriftsätze hatte er der Ausdrucksweise seiner Kollegen angeglichen. Er folgte ihrem Beispiel und bediente sich gelegentlich lateinischer Begriffe, die er kanonartig wiederholte und mit denen er den Mandanten vermitteln wollte, dass seinem Fall mit den geheimnisvollen Weihen examinierten Wissens zum Erfolg verholfen werde. Der Mandant las, dass er de lege lata und nicht de lege ferenda obsiegen werde und aus welchen Gründen der Gegner a priori scheitern müsse und cum grano salis der Vortrag des Gegners unbeachtlich sei. Dr. Hübenthal erinnerte immer wieder daran, dass der Anwalt auch für seinen Mandanten schreibe, und darum wurde vieles geschrieben, was in der Sache nichts sagend war.
    Am Ende eines jeden Schriftsatzes prangte ein Ergebnis, dass dem Gegner die Erfolglosigkeit seines Vorhabens attestierte. Knobels Schriftsätze waren über jeden Zweifel erhaben.
    Inzwischen empfing Knobel auch eigene Mandanten in 307, und es missfiel ihm, dass sein Mansardenbüro nicht mit den Zimmern im Erdgeschoss konkurrieren konnte. Deshalb hatte er mit billigem Antiquariatsmaterial seine Bürokulisse vervollkommnet und einige mehrbändige Werke im Blickfeld des Betrachters platziert, nachdem er aus den anderen Zimmern keinen nennenswerten Bestand an Büchern abziehen konnte. Etliche an sich unbrauchbare, aber wegen ihres Goldeindrucks auf den Buchrücken nützliche englischsprachige Textausgaben und auch ein amerikanisches Anwaltsverzeichnis waren darunter. Die alten muffig riechenden Bücher mit ihren dunklen Einbänden und zusammenpappenden Blättern verliehen seinem Büro etwas von der Bibliotheksatmosphäre der unteren Zimmer.
    Knobel lernte, seinen Auftritt vor Gericht wirkungsvoller zu gestalten, wenn ihn sein Mandant dorthin begleitete und ihn angewiesen hatte, in der Verhandlung alle Register zu ziehen. Er fürchtete die Klientel, die ihn in eine Schlacht peitschen wollte, und schulte sich darin, ihre Kriegslüsternheit geschäftsmäßig mit schneidigen Zeugenbefragungen und monologisierenden Wiederholungen des eigenen Rechtsstandpunktes vor Gericht zu bedienen. Doch er tat es leidenschaftslos. Er schlüpfte in seine Robe wie in ein Kostüm, und er empfand Gerichtsverhandlungen wie Schauspiele, in denen jeder die ihm zugedachte Rolle auszufüllen hatte.
    Knobel griff geübt auf jene Plattitüden zurück, derer sich seine Kollegen wortgewaltig und gönnerhaft bedienten, wenn sie einen lästig gewordenen Prozess aus der Welt schaffen wollten. Auch er wollte dann »Kühe vom Eis holen«, Prozesse »in der Mitte durchhauen« und »Säcke zumachen«. Nach den mühsam errungenen und manchmal unausgewogenen Einigungen empfand er ein Gefühl gerechter Befriedung. Es waren die wenigen Momente, in denen er sich in seiner Robe wohl fühlte. Der Streit blieb ihm fremd. Darin war er anders.
    Knobel begriff, dass er im mittäglichen Forum des Dubrovnik nicht nur die erfolgreich beendeten Fälle rekapitulieren, sondern auch die damit erzielten Umsätze feiern musste. Löffkes Berichte über die eigenen gewonnenen Prozessschlachten gipfelten stets in einer Berechnung der verdienten Gebühren. Löffke stieß dann ein Zahlenwerk aus, dessen Summe den errungenen Sieg krönte. Dr. Reitinger hielt bei diesen Gelegenheiten entgegen, dass

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