Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
Vom Netzwerk:
Mangel gekannt und verschwiegen hätte.«
    Knobel scheute vor dem konkreten Fall. Er rekapitulierte Lehrsätze im Konjunktiv. Der abstrakte Lehrsatz blieb unverbindlich, anwendbar auf ein Fallkonstrukt, einer Seminararbeit im Studium vergleichbar, die den erfundenen vorgegebenen Sachverhalt sezierend mit Obersätzen abprüfte. Doch sein Mandant duldete die Unverbindlichkeit nicht.
    »Sie reden so umständlich. Also: Weinstein muss beweisen. Richtig?«
    »Richtig.«
    »Und? Haben Sie Probleme damit?«
    Rosenboom prüfte die Loyalität seines Anwalts: Zog der eigene Anwalt den Zufall in Zweifel, der Weinsteins Blick in den Keller verhindert hatte?
    Knobels Argwohn keimte auf, bohrte zuerst an der Standesehre. Ein konturenloses Gebilde, von dem er nicht viel mehr wusste, als dass es erlaubte, was des Anwalts ureigenste Aufgabe war und verbat, was sich aus den gleichen Gründen mit seiner Aufgabe nicht vereinbaren ließ. Gewiss war der Anwalt dazu verpflichtet, wahrheitsgemäß vorzutragen. Er spürte, dass die zu verteidigende Standesehre nur unbedeutende Kulisse war. Der Sache nach ging es darum, im Prozess vorzutragen, dass Rosenboom nichts verschwiegen hatte. Eigene Schuld des Herrn Weinstein, nicht auf die Räumung des Kellers bestanden zu haben. Entschlossene Zurückweisung des gegnerischen Vorwurfs, dass der Keller womöglich nur zugestellt wurde, um den Zutritt und damit die Entdeckung des Wandschwamms zu vereiteln. Es würde sein Auftrag sein, den Betrugsvorwurf des Herrn Weinstein in das Reich der Phantasie zu verweisen und mit Häme zu entgegnen, dass Herr Weinstein aus Dummheit einen voll gestellten Keller unbesichtigt gelassen habe.
    In der Konsequenz sollte Knobel betrügen helfen.
    »Als mein Anwalt beraten Sie mich mit der richtigen Strategie, und die kann, wenn ich Sie eben richtig verstanden habe, nur lauten: Wir werden alles bestreiten.«
    Knobels prompte Zustimmung überzeugte nicht, und Rosenboom machte einen Schritt zurück.
    »Sie müssen nur prozessstrategisch denken. Bei Ihrer Verjährungseinrede im letzten Prozess haben Sie sich auch nur einer Strategie bedient. Ob an der Sache ansonsten etwas dran war oder nicht: Sie haben es hinweggefegt. Man könnte doch mit dem armen Käufer Mitleid haben. Jetzt hat er einen nassen Keller und bekommt kein Geld.«
    Knobel wollte etwas einwenden, aber er unterließ es.
    »Als Anwalt stellen Sie sich doch zuerst die Frage: Was ist für meinen Mandanten drin?«, sagte Rosenboom. »Sie prüfen die Sachlage und erkennen: Da will einer etwas von meinem Klienten, aber er wird es nicht durchsetzen können, weil er die für ihn sprechenden Fakten nicht belegen kann. Und mit dieser Überlegung führen Sie den Prozess. Alles andere muss Ihnen doch egal sein. Sie wären ein schlechter Anwalt, wenn Sie dem Mandanten erklärten, dass er im Prozess die Klage zugeben soll, obwohl Sie den Prozess taktisch gewinnen könnten.«
    »Es heißt Klage anerkennen «, korrigierte Knobel.
    »Klage anerkennen«, wiederholte Rosenboom folgsam und nickte. »Natürlich, da sind Sie Fachmann. Das ist eine Welt ganz eigener Begriffe. – Sie wollen doch gewinnen, und Sie müssen gewinnen, weil Sie ohnehin oft genug verlieren, wenn Sie nichts beweisen können. Sie verstehen, was ich meine.«
    Knobel verstand ohne Not. Rosenbooms Worte offenbarten keine neuen Erkenntnisse, aber sie erhoben sie zu einem dem Gebot der Selbstverständlichkeit folgenden Prinzip, schworen ihn in bisher nicht gekannter Deutlichkeit auf seine Partei ein und weckten ein klares Bewusstsein für seine Rolle als Parteivertreter. Es war ein Abschied von der unschuldigen Theorie, die Konfrontation mit der Praxis. Rosenboom hätte Knobels Appell an die Wahrheitspflicht belächelt, ihn in der Kanzlei diskreditiert und, was noch das Geringste gewesen wäre, ihm die eigenen Mandate entzogen. Womöglich hätte Rosenboom der Kanzlei enttäuscht den Rücken gekehrt oder zumindest mit einem Wechsel gedroht. Er dachte flüchtig an die zu erwartende Reaktion Dr. Hübenthals, wenn er über sein Versagen Rechenschaft ablegen müsste, an Löffkes schweißglänzendes wutgeschwängertes Gesicht, an die ätzenden Worte des Zorns.
    Knobel sah in Rosenbooms weiches ruhiges Gesicht, es erschien ihm freundschaftlich, ja väterlich. Dennoch fühlte er sich dümmlich verlegen und kindlich naiv.
    »Sie haben die Unterlagen zu Hause?«, fragte Knobel dienstbeflissen.
    »Sie können sie gleich mitnehmen«, sagte Rosenboom.
    Knobel bereute, dass er

Weitere Kostenlose Bücher