Karrieresprung
sich angedient hatte. Er wollte Rosenboom vermitteln, dass ihm die Sache lästig sei, wollte Unnachgiebigkeit spüren lassen, eine letzte Bastion verteidigen.
Sie verließen den Steg. Der schwarze Sportwagen glänzte im Abendlicht.
Rosenboom warf ihm die Schlüssel zu. Er durfte fahren.
Während Knobel vorsichtig das Auto zur Autobahn lenkte, wie ein Fahrschüler seine ganze Konzentration auf das Schalten des Wagens, die Straße und die Verkehrszeichen richtete, der Fahrtwind wegen der geringen Geschwindigkeit noch nicht pfeifen und Rosenboom das Radio nicht anschalten wollte, bot er zum Dank an, mit Rosenboom am nächsten Tag die Immobilie Brunnenstraße zu besichtigen, um die Örtlichkeit und die seinerzeitige Besichtigung durch den Prozessgegner anschaulich darstellen zu können. Knobel empfahl sich mit der Gewissenhaftigkeit des um die Belange seines Mandanten besorgten Anwalts.
10
Die Brunnenstraße lag im Dortmunder Norden abseits der Geschäftsstraßen inmitten schmuckloser alter Mietskasernen, durch die sich ein gleichförmiges Straßenraster zog. Einige Kastanienbäume ragten zwischen Fahrbahn und Gehsteig aus ziegelummauerten Inseln knorrig auf und verästelten sich zu einem grünen Gewölbe, das die Straßen beschattete und zugleich den Blick auf die grauen Häuserfassaden mit ihren hohen schmalen Fensterhöhlen versperrte.
In der Brunnenstraße war es laut. Aus den offenen Fenstern quollen Radiomusik und Kindergeschrei, manchmal von den Müttern übertönt, die gegen die in der wabernden Hitze lärmenden Kinder anschimpften.
Rosenboom hatte sein Auto abseits geparkt, und sie liefen das restliche Stück bis zum Haus Nummer 8, einem unscheinbaren Gebäude mit ausgebleichter Fassade. Im Erdgeschoss befand sich das La dolce vita mit stumpfem bräunlichem Glas in den Fenstern und dem Namenszug aus gelben Neonröhren darüber.
Sie strebten auf den links der Wirtschaft liegenden Haus-eingang zu.
Knobels Blick fiel auf die Klingeltafel mit rund zwanzig ausländischen Namen.
Rosenboom drückte energisch so lange auf alle dunkelroten Klingelknöpfe, die er mit den ausgestreckten Fingern gleichzeitig erreichen konnte, bis ein schnarrendes Geräusch die Tür freigab.
Sie traten in ein dunkles Treppenhaus, in dem lautes Fluchen und Türenschlagen aus den oberen Stockwerken widerhallte.
Knobel beobachtete, wie die Strahlen der Abendsonne durch die schmutzblinden Flurfenster krochen und die blassgrünen Treppenhaus-Fliesen trüb aufglänzen ließen, dann huschte sein Blick über die ausgetretenen steinernen Stufen und die mattierten alten Deckenleuchten unter dem gräulich schimmernden Deckenputz. Er hatte sich Rosenbooms Häuser anders vorgestellt.
Im Schein einer nackten Glühbirne stiegen sie die enge Kellertreppe hinab. Kühle modrige Luft umfing sie.
Rosenboom eilte an Holzlattentüren vorbei auf eine getünchte Wand zu. Er rüttelte an der Klinke einer versperrten Verbindungstür.
»Dahinter ist der Kellerflur der Wirtschaft, und von dort gelangt man in den nassen Keller«, erklärte er.
Knobel übte sich in strukturierter Sachverhaltsermittlung und fragte nach dem Ablauf der Hausbesichtigung durch Weinstein, während er mit wenigen Strichen die Lage der einzelnen Kellerräume auf einem Block skizzierte. Ob der Käufer darauf bestanden habe, alle Kellerräume zu sehen und ob er einmal konkret nach Feuchtigkeit oder jedenfalls so gefragt habe, dass man hinter der Fragestellung ein Begehren auf Auskunft darüber habe erblicken können. Seine Fragen waren umständlich und verschachtelt. Er wiederholte sie in wechselnden Formulierungen und schlug damit die Zeit im Keller tot. Die Frage, ob sein Mandant den Umstand, dass der Keller vollgestellt war, möglicherweise ausgenutzt, diesen vielleicht sogar arrangiert hatte, unterließ er.
Rosenboom schlug vor, ins La dolce vita zu wechseln, um von dort in den Keller zu gelangen.
Hinter dem Tresen stand eine junge Frau. Sie hatte ihre dünnen schwarzen Haare zu einem kurzen Zopf zusammengebunden. Einige Strähnen pendelten an ihren Schläfen in dem hastigen Rhythmus, in dem sie in der Spüle Gläser schrubbte. Knobel schätzte sie auf Mitte zwanzig. Er blieb im Hintergrund. Die abgestandene schwüle Luft, der Geruch von verschaltem Bier und säuerlichem Schweiß stießen ihn ab. Er sah, dass sich Rosenboom über die Theke beugte und die Frau das Gläserspülen unterbrach, hörte, wie sein Mandant nach den Kellerschlüsseln fragte und beobachtete, dass die
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