Karrieresprung
alle Umsätze partnerschaftlich zum großen Ganzen zusammenflössen und leitete auf seine persönliche Statistik über, die abermals eine Steigerung seiner durchschnittlichen täglichen Posteingänge und durchschnittlichen wöchentlichen Mandantenbesprechungen auswies.
Alle Fälle, die im Dubrovnik nicht Tischgespräch waren, liefen regelmäßig im Verborgenen und blieben auch dort. Am Mittagstisch glänzte nur die Spitze des Erfolges. Knobel erwähnte den Fall Weinstein dort nicht. Er hatte das Gefühl, mit der Schilderung des Falles etwas zu beschmutzen. Die Brunnenstraße 8 passte nicht zu den sauberen und lukrativen Mandaten der Firma Rosenboom. Und er befürchtete, dass er sich selbst mit dem Eingeständnis zurücksetzen würde, dass die überaus wichtigen Rosenboom-Mandate sich in seiner Person nicht mit leuchtenden Großmandaten aus der Geschäftswelt, sondern mit feuchten Kellerwänden in schmuddeligen Mietshäusern verbanden.
Zugleich fühlte er sich Tassilo Rosenboom persönlich verbunden und behütete dankbar die Erinnerung an Rosenbooms Freude nach dem gewonnenen Prozess, an seine Aufwartung auf der Geburtstagsfeier und an die Rückfahrt im Sportwagen.
Knobel verstaute die Akten, die die laufenden privaten Fälle Rosenbooms betrafen, nunmehr in seinem Büro. Dort waren sie zwar nicht vor fremdem Zugriff sicher, aber sie entzogen sich der zu leichten fremden Einsichtnahme im Aktenraum.
Der Fall Weinstein sollte geheim bleiben.
12
Knobel hatte die Klageerwiderung in der Sache Weinstein vorbereitet, darin bildhaft die gemeinsame Besichtigung des Hauses durch Rosenboom und Herrn Weinstein geschildert und aus seiner Darstellung den zwingenden Schluss abgeleitet, dass der Käufer eine genaue Prüfung des feuchten Kellers gar nicht wünschte, obwohl ihm Rosenboom zu einer vollständigen Besichtigung geraten habe. Nun wollte Knobel noch den Keller unter der Wirtschaft sehen, Weinsteins flüchtigen Blick ins Dunkel, den er vorausschauend bereits geschildert hatte, atmosphärisch nachvollziehen und seinen vorbereiteten Text gegebenenfalls um Eindrücke ergänzen, die er in Weinstein hineinprojizieren und zu einer lebensnahen Darstellung ausfeilen würde.
Die wabernde Hitze der vergangenen Tage war nach tagelangem Sommerregen angenehmer Frische gewichen und machte den Aufenthalt im La dolce vita erträglich.
Die junge Frau hinter der Theke sah ihn misstrauisch an.
»Heute ohne Begleitung?«
»Herr Rosenboom hat heute keine Zeit«, erklärte er und bestellte schnell ein Mineralwasser.
»Werden die Mieten wieder teurer?«, fragte sie weiter.
Er spürte ihre Feindseligkeit.
»Ich bin sein Anwalt«, klärte er auf.
»Also braucht er jetzt schon einen Anwalt?«
Ihr hämisches Lächeln beunruhigte ihn.
»Herr Rosenboom wird die Mieten kaum erhöhen können, er ist nämlich nicht mehr Ihr Vermieter.«
»Ach.«
Sie verstummte überrascht.
»Was haben Sie gegen meinen Mandanten?«
Sie hielt seine Ahnungslosigkeit für gespielt, seine Frage für spionierend. Ihr war nicht klar, wie weit sie gehen konnte, beugte sich über den Tresen und begann, Gläser zu polieren.
»Sie meinen wohl, die Wohnungen seien überteuert«, half er, aber sie blickte nicht auf.
Zweifellos wurde in der Brunnenstraße minderwertiger Wohnraum überteuert vermietet. Aber hatte er über seinen Mandanten moralisch den Stab zu brechen? Waren Wohnungen in dieser trotzdem noch niedrigen Preisklasse anderenorts überhaupt zu haben? War die Ausstattung dort zwingend besser? Gab der Umstand, dass zahlungssäumige Mieter in Rosenbooms Häusern nicht selten über Nacht mit unbekanntem Ziel die Wohnung räumten, nicht jenen Vermietern darin Recht, von größeren Investitionen in die Häuser abzusehen? Hatte er Rosenboom nicht schon einige Male raten müssen, seine Forderungen aus Mietrückständen und aus Ansprüchen wegen zerstörter Installationen auszubuchen, weil sie uneinbringlich bleiben würden? Musste er überhaupt die Kalkulation seines Mandanten rechtfertigen, von dem er selber lebte?
»Vielleicht bringt’s jetzt Herr Weinstein in Ordnung – jedenfalls in diesem Haus,« sagte er versöhnlich.
Sie sah ungläubig auf.
»Hier im Keller soll es feucht sein«, fuhr er ruhig fort.
»Feucht?«
Ihre Augen funkelten spöttisch.
»Es ist nass, es riecht so penetrant faulig, dass man den Schimmel fast in der Nase spürt. Aber das dürfte für Ihren Mandanten ja jetzt nicht mehr wichtig sein. Oder sind Sie deswegen
Weitere Kostenlose Bücher