Karrieresprung
gekommen?«
»Ja.«
»Deshalb wollten Sie letztes Mal schon in den Keller?«
Er bejahte erneut.
»Warum?«
Knobel dachte daran, dass er zur Verschwiegenheit verpflichtet war. Andererseits hoffte er auf weitere Details. Also erzählte er ihr alles.
Sie lächelte erstaunt.
»Wenn dieser Weinstein das Haus überhaupt gesehen hat, wenn er auch nur eine einzige Wohnung von innen gesehen hat, dann weiß er allerdings, dass er von diesem Haus nichts Gutes erwarten kann. In keinem Winkel.«
»Darf ich vielleicht den Keller sehen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Geht nicht. Ich habe schon nach Ihrem letzten Besuch alles nach dem Schlüssel abgesucht. Er ist weg, aber das ist letztlich auch egal. Es ist ohnehin ein neues Schloss an der Tür. War bei ihrem letzten Besuch wohl auch schon dran. Ich wusste es bloß nicht, weil wir den Keller eigentlich nie brauchen. Das Gerümpel darin verrottet nur. Es gehörte in den früheren Gesellschaftsraum.«
»Ein neues Schloss«, wiederholte er nachdenklich.
»Ist jetzt ein richtiger Tresor«, fuhr sie fort. »Es ist ohnehin die einzige Stahltür im Keller. Wohl noch vom Krieg. Da haben sie sich vor den Bomben drin versteckt. Und wegen der befürchteten Staubwolken und Druckwellen gab’s eine Stahltür. Das Schloss wurde später ausgebaut und ein Riegel auf die Tür geschweißt, durch den das Vorhängeschloss in den Maueranker greift. Aber es ist ein neues Schloss dran. Ein richtig gutes teures Schloss. Und ein neuer Anker im Mauerwerk. Von außen kriegt man den nicht ab.«
»Aber es ist doch trotzdem ein Raum, der zur Wirtschaft gehört«, entgegnete er.
»Es ist eigentlich ein Hausmeisterraum. Und da es hier schon lange keinen Hausmeister mehr gibt, durften wir den Raum einfach mitbenutzen. Wenn es sich jetzt erübrigt, für die alten Klamotten den Sperrmüll holen zu müssen, ist es umso besser. Den Schlüssel hat mit aller Sicherheit der Neue.«
Knobel nickte. »Sie meinen Weinstein.«
Der Keller blieb geheimnisvoll.
13
Lisa redete unerwartet über das Geld. Sie sagte, dass ihr Vater nunmehr Miete verlangen wolle und sie sich im Verhältnis ihrer Einkommen die Kosten teilen sollten. Es war das erste Mal, dass sie über Geld sprachen.
Fröstelnd wappnete er sich, ohne zu wissen, gegen wen er sich aus welchem Grunde zu verteidigen hatte.
Lisa mochte oder wollte seine Frage nach der Höhe der Miete nicht beantworten. Zunächst solle es allein um die Frage des Verhältnisses gehen, in welchem sie an ihren Vater zahlen würden.
Er wandte ein, dass Lisa sein Gehalt kenne, doch sie ließ ihn die Zahl wiederholen. Er erfuhr, dass sie im Durchschnitt mehr nach Hause brachte. Sie setzte die Zahlen zueinander ins Verhältnis und rechnete. Sie kam zu 1:1,3 zu ihrem Nachteil. Die Zahlen verletzten ihn, nicht wegen des Umstands, dass Lisa mehr verdiente. Ihm war klar, dass sie in der väterlichen Kanzlei einen Bonus genoss, an »Geld gewordener Vaterliebe« verdiente oder sich schlicht ihr Geld hart erarbeitet hatte. All das mochte und durfte so sein, aber er litt unter den ins Verhältnis gesetzten Anteilen und rang mit ihr darum, sich die Miete hälftig zu teilen, aber Lisa blieb bei ihrer Meinung.
»Wir zahlen jeder nach Quote«, schloss sie.
Ihre anwaltliche Geschäftigkeit machte ihn erst zynisch. Dann versuchte er, sich ihr im Scherz zu nähern und wollte den Vertrag mit einem Glas Sekt beurkunden, aber sie wollte keinen Sekt. Seine Gedanken durchstreiften den sich neigenden Tag, irrten durch die Kanzlei, schweiften ins La dolce vita , dann zu Rosenboom, weiter zu Dr. Hübenthal und schließlich zurück in seine, ihre, ihres Vaters Wohnung in der Dahmsfeldstraße, gierten nach Szenen und Ideen, nach erzählenswerten Belanglosigkeiten, die aus dem Tal hätten herausführen können, suchten die rettende Kulisse der Normalität. Schließlich berichtete er von dem verschwundenen Schlüssel, und Lisa riet ihm, gemeinsam mit Herrn Weinstein in den Keller zu gehen. Sie ermahnte ihn, dabei nicht den gegnerischen Anwalt zu übergehen. Lisa ließ sich von ihm lenken, diskutierte seinen Fall unter der Prämisse, dass Weinstein seine Behauptungen beweisen und unter der Prämisse, dass er sie nicht beweisen könne.
Sie hatte noch nicht alle Fakten beleuchtet, nicht alle prozessualen Chancen und Risiken gegeneinander abgewogen, sie hatte noch nicht alle Fragen, deren zugehörige Antworten sie für ihre abschließende Beurteilung benötigt hätte, gestellt, als er plötzlich nicht
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