Karrieresprung
großen Freund haben.«
»Herr Rosenboom?«
Der Senior nickte und wurde leutselig.
»Situationen wie gestern müssen Sie einfach übergehen. Ich soll Ihnen das von Tassilo sagen. Es tut ihm leid, wenn er Sie gestern in eine etwas peinliche Lage gebracht haben sollte. Er wünscht sich weiterhin eine sehr enge Zusammenarbeit mit Ihnen.«
Der schwellende Stolz über die bevorstehende Soziierung hatte Knobel den gestrigen Tag schon vergessen lassen, und so unterließ er es, die Fragen zu stellen, die ihn gestern noch beschäftigten.
Der Senior erhob sich, und Knobel tat es ihm gleich.
»Dann darf ich Sie als Sozius in unserer Kanzlei begrüßen!«
Sie gaben einander fest die Hand.
Knobel konnte noch immer keine spontanen Reden halten. Seine Worte blieben hölzern, aber sie waren ehrlich und von spürbarer Rührung getragen, als er für das entgegengebrachte Vertrauen dankte und versicherte, dass er keinen Tag in der Kanzlei bereut habe.
Dann lösten sich ihre Hände voneinander.
Knobel war versucht, noch weiterzureden. Die Soziierung war erarbeitet, sie war von ihm gewollt, auch wenn er ihre Bedeutung anfangs nicht erkannte, und jetzt, wo sie Wirklichkeit geworden war, erschien sie wie eine Weihe, die trotz allen Strebens zum jetzigen Zeitpunkt noch unverdient war.
Dr. Hübenthal forderte ihn auf, die weiteren Details jetzt mit Dr. Reitinger zu besprechen, weil er mit Löffke zu einer wichtigen Konferenz fahren müsse. Seine Worte beschrieben zugleich das Stellvertreterprinzip, wonach alle Macht von Dr. Hübenthal ausging und in der Reihenfolge der Soziierung von den nachgeordneten Sozien stellvertretend ausgeübt wurde. In dieser Reihenfolge war er nunmehr die Nummer fünf, sich anschließend an Dr. Hübenthal, Löffke, Dr. Reitinger und Frau Meyer-Söhnkes. Es stand also nicht zu befürchten, dass er führen müsste.
16
Dr. Reitinger war ihm stets fremd geblieben. Anfangs tauschte Knobel mit ihm Floskeln aus, die ein Gespräch entzünden sollten, aber es gab nichts, was sie gemeinsam oder aneinander interessierte. So blieb es dabei, dass jeder von ihnen sich bei Gelegenheit höflich nach dem aktuellen Fall des anderen erkundigte, stillschweigend darin einig, sich vertiefender Nachfragen zu enthalten.
Dr. Reitinger empfing ihn in 102 hinter seinem mit Akten überhäuften Schreibtisch, an dessen vorderer Kante sich ein kleiner Platz behauptete, auf dem sich Diktiergerät, Stifte, Vermerkzettel und ein Aschenbecher drängten.
Knobel bemerkte, dass rechts und links neben Dr. Reitingers Platz weitere Akten auf dem Boden lagen.
»Es freut mich außerordentlich, Sie im Kreise der Sozien begrüßen zu dürfen.«
Knobel dankte und suchte nach weiteren Worten, aber es fielen ihm keine ein. Umständlich sammelte Dr. Reitinger die Akten vom Boden auf und stapelte sie auf Diktiergerät, Stifte, Vermerkzettel und den Aschenbecher, bevor er sich wieder setzte.
»Ich hoffe, Sie begreifen die Soziierung nicht als eine Art des Einkaufens. Es ist eine Auszeichnung, zu uns zu gehören.«
»Zweifellos«, versicherte Knobel.
Dr. Reitinger bedeutete ihm, sich einen Stuhl zu nehmen und sich neben ihn zu setzen.
»Als Partner haben Sie natürlich Einblick in unsere Buchhaltung.«
Dr. Reitinger widmete sich der Tastatur seines seitlich stehenden Computers.
Knobel verfolgte die Ausführung der rasch aufeinander folgenden Bedienbefehle auf dem Bildschirm.
»Schauen Sie hier …!«
Dr. Reitingers Finger huschten flink über die Tastatur. Auf dem Bildschirm baute sich eine Tabelle mit den Namen aller Anwälte und den jeweiligen Umsatzerlösen auf.
»Hier sehen Sie alles im Jahresüberblick.«
Er strich mit dem Zeigefinger auf dem Bildschirm über seinen eigenen Namen.
»Sehen Sie: 256.083,17. Bis jetzt. Was sagen Sie?«
Knobel wusste die Zahl nicht zu werten. Er blickte auf die Namen der anderen Anwälte und die ihnen zugeordneten Umsatzzahlen. Der Senior führte mit über 730.000. Dann folgte Löffke mit 380.000, Frau Meyer-Söhnkes stand kurz vor 180.000. Einige der angestellten Anwälte wiesen ebenso hohe, teilweise sogar noch höhere Zahlen auf. Er selbst fand sich bei 112.000.
»Beeindruckend«, sagte Knobel.
»Frau Meyer-Söhnkes ist jetzt fast 80.000 hinter mir. Letztes Jahr um diese Zeit lagen wir nur 30.000 auseinander.«
Dr. Reitinger seufzte zufrieden.
»Es wird schwer werden für die Gute. Sie hat ihre dicksten Mandate schon abgerechnet.«
»Haben Sie viele Außenstände?« Knobel gab sich
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