Karrieresprung
verstand es, über die faden Witze seiner Kollegen wie auf Zuruf herzhaft zu lachen und machte rundum eine gute Figur. Es gelang ihm, Unterhaltungen zu lenken und ohne Scheu Diskussionen über Medizin und Architektur, Politik und Geologie zu entfachen. Wenn er seine erfolgreich beendeten Prozesse schilderte, illustrierte er grob und pointiert. Er hatte sich an Löffkes hämmernden Berichten ein Beispiel genommen, denen er oft nicht zu folgen wusste, weil sie zu einem wirren Geflecht verwuchsen und bereits aus diesem Grunde den am Ende stehenden klaren Erfolg umso deutlicher hervortreten ließen.
Anfang September also hatte er sich etabliert und fühlte sich auch etabliert, als der Senior ihm lächelnd eröffnete, dass draußen eine Überraschung auf ihn warte.
Eilfertig lief Knobel die Treppe hinunter. Seine wiederholte Frage an den Senior (»Was ist denn?«) klang höflich geduldig und zugleich vorausahnend freudig erregt.
Als sie die Kanzlei verlassen, den kurzen, heckengesäumten Weg zur Prinz-Friedrich-Karl-Straße durch das schmiedeeiserne Tor hinter sich gelassen hatten, stand am Straßenrand ein nagelneuer schwarzer Mercedes.
Dr. Hübenthal präsentierte das Auto mit leichter Verbeugung, und Knobel rief, ungläubig das glitzernde Gefährt bestaunend, überwältigt ein »Oh!« aus.
Erst jetzt nahm er Löffke wahr, der gemeinsam mit Rosenboom seitlich auf dem Gehsteig stand. Knobels Blicke wanderten irritiert zwischen dem Auto und seinem Mandanten hin und her. Er betrachtete die getönten Scheiben, die das elegante Aussehen noch steigerten, strich mit der Handfläche sanft über den Lack, erkundete das eine und das andere Detail, ohne dass er alles in sich aufnehmen konnte.
»Nun?«
Löffke war vorgetreten und wartete auf Worte, die Knobels Überwältigung Rechnung trugen, aber Knobel staunte bloß regungslos.
Schließlich glitt er auf den Fahrersitz. Alles im Auto roch neu. Er umgriff das Lenkrad, als würde er das Auto fahren. Dann zog er die Tür zu und war allein in dieser neuen Welt, bis Rosenboom sich zu ihm ins Auto setzte und ihm die Schlüssel reichte.
»Kommen Sie, wir fahren eine Runde.«
Gehorsam startete Knobel den Wagen und konzentrierte sich auf das ungewohnte Auto. Er umklammerte das Lenkrad und folgte Rosenbooms knappen Anweisungen.
Langsam rollten sie über die Prinz-Friedrich-Karl-Straße westwärts, bogen dann rechts in den Heiligen Weg ein, fuhren am Dubrovnik vorbei und gelangten schließlich auf den Schwanenwall.
Es lag auf der Hand, dass er Rosenboom das Auto zu verdanken hatte, aber Knobel unterließ es, nach dem Grund für diese großzügige Zuwendung zu fragen. Flüchtig dachte er an den Stand seiner Umsatzzahlen und überschlug die Summe der noch ausstehenden Mandantenzahlungen. Seit seiner Soziierung hatten seine früher an Floskeln entlang hangelnden Gespräche mit Dr. Reitinger einen handfesten Inhalt bekommen. Nunmehr glichen sie ihre Zahlen ab, und Knobel war der Versuchung erlegen, nicht nur die laufenden Akten schnell abzurechnen, sondern auch die bereits abgelegten Vorgänge danach zu untersuchen, ob nicht noch Gebühren nacherhoben werden konnten. Knobel jagte jetzt Mandate.
Sie waren im Stadtzentrum angelangt.
Knobel steuerte den Mercedes ehrfürchtig und umsichtig durch die vollen Straßen, zweimal umrundeten sie die Innenstadt auf dem Wallring, und manchmal empfand er, als schauten die Passanten dem nagelneuen Auto bewundernd hinterher.
Sein Mandant wies ihm den Weg ins Kreuzviertel und ließ ihn nahe des Café Swabedo parken. Sie fanden in dem heckenumsäumten Garten an einem kleinen Tisch Platz. Rosenboom bestellte Cappuccino.
Knobel sank in einen Korbsessel und blickte auf sein in der Spätsommersonne funkelndes Auto.
Rosenboom betrachtete zufrieden die Glückseligkeit in Knobels Gesicht und verfolgte seine stolzen Blicke zum Auto. Die Freude sprudelte nicht aus Knobel heraus. Er saugte still an ihr und teilte sie wortlos mit Rosenboom.
Sie saßen lange an dem kleinen Tisch im Swabedo .
Die Gäste an den anderen Tischen waren gegangen und andere gekommen, auf der Straße eilten Pendler zur nahen Stadtbahnhaltestelle, Mütter zerrten ihre kleinen Kinder zum Einkaufsbummel, der Autoverkehr nahm zu und brandete an der nahen Straßenkreuzung auf, wenn die Ampel an der Möllerstraße auf Grün umsprang.
Knobel fühlte sich in dieser Lebendigkeit geborgen. Sein schwarzes Auto ruhte am Straßenrand, und er beobachtete, wie sich die hektische Betriebsamkeit
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