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Karrieresprung

Karrieresprung

Titel: Karrieresprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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interessiert.
    »In zwei ganz großen Sachen sind die Rechnungen noch nicht raus. In der Summe um die 40.000. Zusammen mit den normalen Mandaten erreiche ich bis zum Jahresende bestimmt 320.000 bis 340.000. Gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung um bis zu acht Prozent. Was sagen Sie?«
    Knobel wollte ihn beglückwünschen, aber Dr. Reitinger redete sofort weiter.
    »Ihre Zahlen werden natürlich höher werden«, sagte er, wobei er mit dem Zeigefingerknöchel auf die 112.324,60 auf dem Bildschirm klopfte. »Sie wird höher werden müssen«, korrigierte er. »Bei den unteren Zahlen ist es noch recht einfach, sich zu steigern. Erst wenn Sie sich in höheren Umsatzregionen befinden, wird es schwieriger. Dann beginnt man auszureizen.«
    Knobel wurde bewusst, dass er sich dem Wettbewerb in der Kanzlei nun stellen musste, in den er zwar von Anfang an eingebunden war, ohne jedoch auf sein eigentliches Räderwerk schauen zu können, weshalb er bis jetzt von ihm auch unbelastet geblieben war. Nun fühlte er sich auf einmal unvermittelt in die Pflicht genommen, von nüchterner Fallbearbeitung hinweggezerrt zu einem Buhlen um geldträchtige Mandate und gewinnbringende Streitwerte.
    Dr. Reitinger sprang durch Tabellen und Auswertungen, die der Computer bereitwillig preisgab. Er jonglierte mit Zahlen und Stichworten, dokumentierte wirtschaftliche Zusammenhänge, die er virtuos mit der Tastatur abrief und die Knobel eher stumm als neugierig machten. Er scheute vor Dr. Reitingers Rekapitulation in Fleisch und Blut übergegangener wirtschaftlicher Grundmaximen zurück und wehrte sich hoffend und entschuldigend, dass er dies alles mit der Zeit lernen müsse. Er bejahte und verneinte Dr. Reitingers rhetorische Fragen, reproduzierte willenlos ihres Zusammenhangs beraubte Zahlenwerke und ersehnte sinnlos plappernd ein Ende des furchtbaren Gesprächs.
    Dr. Reitinger fasste zusammen:
    »Jetzt sind Sie also Unternehmer!«
    Er wechselte zur Umsatzstatistik zurück. Auf dem Bildschirm baute sich die Ausgangstabelle erneut auf.
    »112.324,60. Das ist ein Anfang.«
    Knobel bejahte matt.
    »Wie viele Mandantenbesprechungen haben Sie durchschnittlich an einem Tag?« wollte Dr. Reitinger wissen.
    »Mal zwei, mal vier, mal keines. Es ist unterschiedlich.«
    Dr. Reitinger entließ ihn nicht.
    »Wie viele Besprechungen entfallen auf Neumandate, wie viele auf Folgebesprechungen in bereits laufenden Sachen?«
    Knobel wusste es nicht. Er peitschte seine Erinnerung durch die letzten Wochen und zuckte hilflos mit den Schultern.
    Dr. Reitinger wechselte das Programm. Auf dem Bildschirm erschien eine fallende Kurve.
    »Die Linie zeigt die durchschnittliche Anzahl meiner Besprechungen mit dem Mandanten bezogen auf die Dauer des Mandats«, erläuterte er. »Wie Sie sehen, bin ich effektiver geworden. – Vergleichen Sie das mal mit Kollegin Meyer-Söhnkes!«
    Knobel hob ratlos die Schultern, ohne zu vergleichen.
    »Sie werden im Laufe der Jahre all diese Überlegungen selbst anstellen.«
    Dr. Reitingers Worte klangen gönnerhaft, beruhigend und nahmen ihn zugleich in die Pflicht.
    Knobel verspürte erstmals seine Pflicht, Mandate gewinnbringend zu verwerten. Er überschlug in Gedanken die zu erwartenden Erträge seiner laufenden Prozesse und konzentrierte sich schließlich auf Tassilo Rosenboom. Ihm wurde bewusst, wie groß die Bedeutung dieses einen Mandanten für seinen Stand in der Kanzlei war. Es lag auf der Hand, dass er Rosenboom die Soziierung zu verdanken hatte, und dennoch verspürte er erstmals das Bedürfnis, dass gerade die von ihm betreuten Rosenboom-Mandate noch nachhaltiger seine Umsatzstatistik beeinflussen müssten. Niemals zuvor hatte er den Zeitaufwand, den er für seinen wichtigsten Mandanten trieb, zu dem Ertrag dieser Mandate ins Verhältnis gesetzt. Die plötzliche Gier relativierte sich bei dem Gedanken, dass Geld für Rosenboom offensichtlich keine Rolle spielte, so lange er nur gut bedient wurde. Die Idee, die zahlreichen geschäftlichen Gespräche, die er mit Rosenboom außerhalb der Kanzlei führte, auf Basis eines Stundenhonorars abzurechnen, verwarf er als undankbar und unangemessen, aber sie war gedacht und schnell im Groben gerechnet.
    Sein bislang lediglich zur Koordination der Besprechungs- und Gerichtstermine genutzter Computer verlor mit einem Mal seine Unschuld als publikumswirksames Requisit, das sich mit dem Ensemble der von ihm arrangierten Bücher zu einer wirkungsvollen Kulisse vereinigte. Nun geriet der Computer zum

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