Karrieresprung
Nathalie oder Malin-Sophie und ein Sohn Felix heißen solle. Seither bemühte er sich umtriebig um Lisa und den Haushalt. Sie genoss seine wohlwollenden Ermahnungen und begehrte im Spiel gegen seine streichelnden und schonenden Worte auf, damit er sich noch bemühter um sie sorgte. Die sich ankündigende Geburt des Kindes ließ ihn durchatmen. Er fühlte sich an einem Ziel angekommen.
Tassilo Rosenboom hatte ihm versichert, dass er sich nicht um ihn zu sorgen brauche. Er werde im Gerichtstermin nicht patzen, aber Knobel wollte nichts dem Zufall überlassen und hatte den Auftritt seines Mandanten vorgedacht. Er hatte die mutmaßlichen Fragen des Vorsitzenden Richters im Voraus beantwortet und seinen Mandanten die Antworten einstudieren lassen. Rosenboom musste Rede und Gegenrede im Termin überstehen. Knobel empfahl, Richter und Gegner direkt anzusehen, auch den Blick zum Gegenanwalt nicht zu scheuen, laut und nicht zu schnell zu sprechen, und Rosenboom gelobte, auch diese Empfehlungen zu beherzigen.
Doch als die Gerichtsverhandlung begann, saß Knobel allein am Beklagtentisch. Sein Mandant hatte ihn kurz zuvor angerufen und ihm mitgeteilt, dass ihn eine Darmgrippe ereilt habe, und ein knappes Attest des Hausarztes traf zeitgleich per Fax in der Kanzlei ein.
Knobel überreichte dem Vorsitzenden entschuldigend das Papier. Der Richter nahm es schnaufend entgegen und überflog die Zeilen, während Knobel der Ordnung halber versicherte, das Original baldmöglichst nachzureichen.
Das Attest fand keinen Glauben.
»Manche Krankheiten kommen immer ganz plötzlich«, meinte der Vorsitzende kopfschüttelnd.
Knobel wollte protestieren, aber er blieb noch still.
Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung.
Knobel musterte die aus den Vorprozessen bekannten Richter, widerstand ihren Blicken und nahm dann Gegenanwalt und Gegenpartei lauernd ins Visier.
Weinstein, ein hagerer Mann Mitte fünfzig mit schütterem grauen Haar über einem bleichen und recht faltigen Gesicht, kauerte neben seinem Anwalt, der sich über seine Akte beugte und den Antrag aus seiner Klageschrift zu Protokoll gab. Weinstein trug einen schlichten grauen Straßenanzug und wirkte auch im Ganzen grau.
Knobel beantragte, die Klage abzuweisen.
Der Vorsitzende spähte misslaunig zu ihm herüber.
»Es ist wirklich sehr bedauerlich, dass uns Ihr Herr Mandant heute im Stich lässt.«
Knobel zuckte hilflos mit den Schultern.
Der Vorsitzende wandte sich Weinstein zu.
»Sie bestreiten gewiss den Vortrag der Gegenseite zu der behaupteten Schenkung«, fragte er. »Sie wollten nicht Herrn Rosenboom Geld schenken, weil Sie zunächst zuviel Schadensersatz wegen des schadhaften Hauses gegen ihn eingeklagt hatten?«
»Es ist gelogen.«
Weinsteins Stimme war leise und ruhig.
Der Vorsitzende gab Weinsteins Worte zu Protokoll.
Knobel ereiferte sich, dass er einen solchen Vorwurf nicht auf seinem Mandanten sitzen lasse, und er versuchte, mit den Augen zu blitzen. Hilflos bellte er, dass sich Herr Rosenboom gegen solche Äußerungen zu verwahren wisse.
»Ich gehe davon aus, dass Herr Rosenboom heute eingeräumt hätte, gelogen zu haben«, erwiderte Weinstein gelassen.
Sein Anwalt schnarrte, dass man in der Tat mit einer Erklärung Rosenbooms gerechnet habe, zu der es nun leider nicht komme.
»Es ist«, schloss er, »wie der Herr Vorsitzende soeben zutreffend anmerkte, in der Tat sehr bedauerlich, dass Herr Rosenboom heute erkrankt ist.«
Beim Wort erkrankt hob er die Stimme und fand im zustimmenden Augenaufschlag des Vorsitzenden die gesuchte Bestätigung.
»Nun ja …«
Der Vorsitzende blätterte flüchtig durch die Akte.
»Wir werden eine Entscheidung am Schluss der Sitzung verkünden«, sagte er und schloss die Verhandlung.
25
Knobel eilte in die Kanzlei zurück und berichtete Dr. Hübenthal vom Prozess und seinem zu erwartenden Ergebnis, dass Rosenboom aller Voraussicht nach zur Zahlung verurteilt werde. Er skizzierte das geheimnisvolle Gebaren Rosenbooms im Vorfeld des Prozesses, ohne dass es ihm darum ging, Licht ins Dunkel zu bringen. Obgleich er seinen Vortrag detailliert schilderte, verschwieg er, das vor Gericht präsentierte Märchen selbst erfunden zu haben und erklärte vielmehr achselzuckend, dass dies Rosenbooms Idee gewesen sei.
Der Senior beruhigte ihn. Er wisse ja von dem neuen Prozess gegen Weinstein. Und er erwarte wie Rosenboom keinen Sieg.
Knobel atmete erleichtert auf.
»Bei dieser Gelegenheit darf ich Sie bitten, einstweilen Herrn
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