Karrieresprung
weiterzutragen, irgendwann später, vielleicht aus einer bloßen Laune heraus, weil es reizte, Geheimnisse preiszugeben.
Knobel wollte keine Fragen stellen. Knobel griff in die Gebäckschale.
»Ich will sagen«, fasste Hübenthal zusammen: »Es kommt jetzt maßgeblich auf Sie an. Die Chancen stehen einigermaßen gut, dass man Tassilo Rosenboom letztlich nicht mit Weinsteins Tod in Verbindung bringen wird. Und wenn doch, braucht er gegebenenfalls ein Alibi. Sie waren ja ohnehin mit ihm an dem Abend zusammen. Natürlich müssten Sie sich an einem anderen Ort getroffen haben und den ganzen Abend über beieinander gewesen sein.«
Knobel kämpfte gegen die Komplizenschaft an.
»Geht nicht«, keuchte er, »vielleicht stellt man mich der Wirtin gegenüber.«
Ihm war, als hätten sich alle, denen er am letzten Abend begegnet war, sein Gesicht eingeprägt, um Zeugnis abzulegen über sein Treffen mit Weinstein, über die zaghafte Vertrautheit, die sich dabei entwickelt hatte. Gesichter, die ihn wieder erkennen und anklagen würden.
Hübenthal dachte kurz nach und nickte.
»Wir werden einen Weg finden.«
Knobel spürte, in einen Strudel gerissen zu werden. Er lief rot an, Schweiß perlte auf seine Stirn. Wie weit durfte der Anwalt seinem Mandanten helfen? Wo hörte die Verteidigung auf, und wo fing die Strafvereitelung an? Knobel hatte die Trennlinie in juristischen Seminaren studiert und problematisiert. Es mochte Grenzfälle geben, die die Antwort schwierig machten, aber hier war die Antwort eindeutig. Das Verschaffen eines Alibis war eine eigene Straftat. Knobel blickte hilflos in Hübenthals Gesicht. Warum war keine Regung in diesem Gesicht, kein sichtbarer Zweifel?
»Ich möchte nicht, dass zu viele Personen in die Sache einbezogen werden«, erklärte Hübenthal. »Deshalb dachte ich an Sie als Alibizeugen. Ich selber komme leider nicht in Betracht. Als Tassilo mich anrief, war ich auf einer Vereinsfeier.«
Knobel wagte nicht, nein zu sagen. Stattdessen bestätigte er matt:
»Natürlich sollten wir helfen.«
Das Bekenntnis zur Loyalität war einfach. Es half über den Moment hinweg, es blieb unkonkret, auch wenn es auf ein Bündnis einschwor.
Knobel hoffte, dass es ein lösbares Bündnis sei. Er suchte nach Worten, das Bündnis abzuschwächen und die eingegangene Verpflichtung zu relativieren.
»Wir werden die notwendigen Schritte tun«, bekräftigte Hübenthal. Das Wir klang zunächst harmlos und barg lediglich die Initiative Hübenthals. Knobel würde bei dem Wir vielleicht im zweiten Glied bleiben können, würde vielleicht nie etwas tun müssen. Vielleicht würde er nur wissen müssen, denn das Wissen konnte er immerhin hinter der anwaltlichen Schweigepflicht verstecken. Was auch immer Hübenthal unternahm: Knobel würde es zum Schutz Rosenbooms für sich behalten müssen. Die anwaltliche Schweigepflicht entlastete. Knobel sollte sich lediglich dieser Pflicht fügen müssen.
»Es sollte keiner außer uns beiden in der Kanzlei von der Sache wissen«, sagte Hübenthal. »Und außerhalb der Kanzlei erst recht nicht. Nur wir drei: Sie, Tassilo und ich.«
»Schon wegen der Schweigepflicht«, versicherte Knobel, doch seine Antwort kam zu schnell, und Hübenthal setzte vorsorglich nach:
»Es geht nicht nur um das persönliche Schicksal Rosenbooms. Es geht natürlich auch um unseren Hauptmandanten. Es geht in der Konsequenz um unser Geschäft. Sie sind Sozius. Sie wissen das.«
Knobel wusste es.
»Mag der liebe Gott uns davor beschützen, dass die Polizei Rosenboom jemals ernsthaft als Täter in Betracht zieht«, schloss Hübenthal.
Knobel musste über die Vorstellung auflachen, dass der liebe Gott dem Täter beistehen sollte, aber er fand auch keine mitleidigen Worte für Weinstein. Knobel hätte gern ein persönliches Wort über Weinstein verloren. Er wusste wenig über Weinstein, und dieses Wenige war nur oberflächlich und vielleicht falsch, aber er wollte entgegenhalten, dass Weinstein auch gute Seiten gehabt hatte. Doch Knobel kannte seine guten Seiten nicht. Wollte er sie überhaupt kennen?
»Unsere Kanzlei wird sich bald anders darstellen«, eröffnete Hübenthal, und Knobel fragte irritiert nach.
»Ihre Umsätze haben sich drastisch entwickelt. – Ich mache es kurz: Sie sind reif, die Nummer Zwei zu sein. Es ist mein Wunsch, dass Ihr Name direkt hinter meinem steht. Wir müssen nach Reitingers Tod ohnehin das Kanzleischild aktualisieren. Also Sie nach mir, dann Löffke, dann Frau Meyer-Söhnkes,
Weitere Kostenlose Bücher