Karrieresprung
und danach die angestellten Kolleginnen und Kollegen in der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts in die Kanzlei.«
Hübenthal schien Knobels Gedanken gelesen zu haben, als er sagte:
»Sie werden meinen Entschluss natürlich mit unserem aktuellen Fall in Verbindung bringen. Er ist in der Tat der Anlass, aber nicht der Grund. Der Grund ist Ihre kontinuierliche Entwicklung, die immer wieder unter Beweis gestellte Einsatzbereitschaft, und nicht zuletzt Ihre unbestrittenen Erfolge.«
Knobel lächelte unsicher.
»Es waren auch etliche Niederlagen darunter.«
»Gewiss, wie bei jedem anderen auch.«
Knobel erinnerte sich der bildhaften Schilderungen Löffkes und Hübenthals im Dubrovnik , denen er sich anfangs ausgeliefert fühlte. Er dachte an die wetteifernden Illustrationen leuchtender Erfolge, denen er sich nicht gewachsen sah und an seine eigenen Versuche, mit den gefeierten Siegen mitzuhalten. Beschämt besann er sich seiner Erfahrungen und gestand sich ein, noch immer nicht gut genug zu sein.
»Wir bauen Büro 102 komplett um«, erklärte Hübenthal. »Sie haben ja lediglich Reitingers Inventar übernommen. Es kommen ganz neue Sachen rein. Neuer großer Schreibtisch, gesonderter Besprechungstisch, neue Stühle. Alles nach Ihrem Stil.«
Weinsteins Tod hämmerte in seinem Kopf. Weinsteins Tod und sein eigener Aufstieg waren unmittelbar miteinander verknüpft. Mühelos, wie sich der Aufstieg anbot, hatte er sich ihn immer erträumt, ohne dass er ihn angestrebt hätte. Es ging ihm wirtschaftlich gut, und es gab nichts, was dieses Befinden mit einer als notwendig empfundenen Verbesserung hätte steigern können. Aber der geschenkte Aufstieg reizte. Natürlich reizte es auch, Löffke zu überholen, und Knobel fand Gefallen an der Vorstellung, dass Löffke unter seinem Aufstieg leiden würde.
Hübenthal lächelte.
»Entweder sind Sie über mein Angebot sprachlos, weil es Sie überwältigt, dass man Ihnen diese einmalige Chance bietet, oder Sie haben Skrupel, weil Sie glauben, gekauft zu werden. Wie ich Sie kenne, ist es Letzteres.«
Knobel nickte dankbar.
»Betrachten Sie es so: Der Fall Tassilo Rosenboom ist so oder so unser Mandat. Was wir beide von der schrecklichen Sache von gestern Abend wissen, ist eine Last, die wir von Berufs wegen zu tragen haben. Wir liefern keinen Mandanten ans Messer, mag er getan haben, was er will.«
»Unsere Schweigepflicht, selbstverständlich«, rekapitulierte Knobel.
»Und vor diesem Hintergrund, und im Gedanken an Ihre beständig gute Leistung treffen Sie Ihre Entscheidung. – Also bitte keine moralischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Rosenboom-Fall!«
»Ich denke insoweit rechtlich«, versicherte Knobel. »Das bloße Schweigen ist einwandfrei.«
Hübenthal bestätigte die gelernte Lektion, trotzdem schlug er zurück.
»So gesehen sind Sie allerdings längst zum Straftäter geworden. – Denken Sie nur an den zweiten Prozess Weinsteins gegen Rosenboom: Sie haben dem Gericht eine frei erfundene Geschichte vorgetragen, mit der Sie dem Gericht glauben machen wollten, dass Weinstein das Geld an Rosenboom geschenkt habe. – Mein lieber Freund!«
Hübenthal lachte.
»Das war schon recht verwegen. Und natürlich haben Sie keinen Moment selbst daran geglaubt. Ganz im Gegenteil: Tassilo hat mir erzählt, wie stolz Sie darauf waren, eine Geschichte erfunden zu haben, die sich in Wirklichkeit zwar so abgespielt haben könnte, in der Konsequenz aber nichts anderes, als ein Lügenkonstrukt war. In der Tat ging es ja auch nur um die Hypothese, dass Ihre Geschichte wahr sein könnte. Rein rechtlich aber war diese Geschichte nichts anderes als der Versuch eines Betrugs. Das war beileibe kein Unterlassen, kein Schweigen, das war konkret strafwürdig, denn es war der Versuch, das Gericht von einem Märchen zu überzeugen, das, hätte das Gericht ihm Glauben geschenkt, dazu hätte führen müssen, Weinsteins Klage abzuweisen. Aus diesem Straftatbestand sind Sie im Übrigen nicht mehr herausgekommen, denn zu dem von Weinstein gewünschten Auftritt Rosenbooms in der mündlichen Verhandlung, in dem er reumütig Weinsteins Klage anerkennen wollte, ist es ja bekanntlich nicht gekommen, weil Rosenboom überhaupt nicht erschien. Also haben Sie die schriftsätzlich vorgetragene Lüge weiterhin persönlich aufrechterhalten und das Gericht über die Lüge entscheiden lassen.«
Hübenthal lehnte sich zurück und gelangte zur rechtlichen Würdigung. »Folglich fand kein Rücktritt vom
Weitere Kostenlose Bücher