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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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geändert«, flüstere ich. »Nicht wahr?«
    »Es liegt in der Natur des Skorpions zu stechen. Nur weil er dazu keine Gelegenheit hat, heißt es nicht, dass er es nicht kann.« Die Schlangen wachen weinend auf und die Medusa wiegt sie mit ihrem Haupt sanft wieder in Schlaf. »Solange ich auf diesem Schiff bin, bin ich sicher. Das ist mein Fluch und meine Erlösung.«
    Sie wendet mir ihre gelben Augen zu und unwillkürlich weiche ich ihrem Blick aus.
    »Ich sehe, dass meine Geschichte deine Meinung über mich schließlich geändert hat«, sagt sie mit einem Anflug von Traurigkeit.
    »Das ist nicht wahr«, protestiere ich, aber es klingt falsch.
    »Du solltest zu eurem Fest zurückkehren. Sie sind deine Freundinnen und scheinen viel Spaß zu haben.« Sie senkt die knarrende Planke und ich trete in das leichte Schneegeriesel am Ufer hinaus.
    »Wir werde einander eine Weile nicht sehen, Gebieterin«, sagt die Medusa.
    »Warum nicht? Wohin fährst du?«
    Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie mit ihrem majestätischen Haupt zum Himmel über der Winterwelt deutet. »Weit den Fluss hinunter, weiter, als ich je gereist bin. Wenn irgendetwas im Gange ist, wird es mich nicht unvorbereitet treffen. Gib gut auf dich acht.«
    »Ja, ich weiß. Ich habe die Magie«, antworte ich.
    »Nein«, korrigiert sie. »Du musst auf dich achtgeben, weil wir dich nicht verlieren wollen.«

32. Kapitel
    Am folgenden Morgen, gleich nach dem Frühstück, schleichen Ann und ich uns in die Waschküche.
    »Ich habe diese Nacht vor Aufregung kaum ein Auge zugetan«, sagt Ann. »Heute Nachmittag könnte sich mein Schicksal entscheiden.«
    Ich habe den Großteil der letzten Tage damit zugebracht, einen Plan für unseren Ausflug ins Theater auszuhecken. Felicity hat einen fingierten Brief ihrer »Cousine« Nan Washbrad verfasst, in dem diese die Bitte äußert, dass wir sie nach London begleiten dürfen, und Mrs Nightwing hat zugestimmt.
    »Glaubst du, dass es klappen wird?«, fragt Ann, an ihrer Lippe nagend.
    »Das hängt hauptsächlich von dir ab. Bist du bereit?«, frage ich.
    Ann grinst von einem Ohr bis zum anderen. »Ganz und gar!«
    »Gut. Also fangen wir an.«
    Wir lassen die Magie zwischen uns fließen. Ich kann Anns Aufregung, ihre Nervosität, ihre unbändige Freude fühlen. Es macht mich ein bisschen beschwipst und ich kann nicht umhin zu kichern. Als ich die Augen öffne, ist Ann in fließender Verwandlung begriffen. Sie wechselt ihre Gestalt, als probiere sie Kleider an. Schließlich ist sie in die äußere Erscheinung geschlüpft, nach der sie gesucht hat, und Nan Washbrad steht wieder vor mir. Sie dreht sich in ihrem neuen Kleid aus indigoblauem Satin mit einem Besatz aus Spitze am Kragen und am Saum. Am Hals steckt eine mit Edelsteinen besetzte Brosche. Ihr Haar ist zur Farbe von Ebenholz gedunkelt. Es ist hoch auf ihrem Kopf aufgetürmt wie die Frisur einer sehr feinen Dame.
    »Oh, wie schön, wieder Nan zu sein. Wie sehe ich aus?«, fragt sie, tätschelt ihre Wangen und betrachtet ihre Hände kritisch.
    »Wie jemand, der auf der Bühne stehen sollte«, antworte ich. »Jetzt wollen wir sehen, ob wir dein schauspielerisches Talent richtig in Schwung bringen.«
    Wenig später tritt Nan Washbrad ins Haus, um uns wie vereinbart abzuholen. Sie wird ins Empfangszimmer geführt, wo Mrs Nightwing liebenswürdig mit ihr plaudert, ohne zu ahnen, dass ihr eleganter Gast in Wirklichkeit Ann Bradshaw, die arme Stipendiatin, ist. Felicity und ich können unsere hämische Schadenfreude kaum verbergen.
    »Das war wundervoll«, kichert Felicity, als wir auf unseren Zug warten. »Sie hat keinen Verdacht geschöpft. Nicht einen Moment lang. Du hast Mrs Nightwing getäuscht, Ann. Wenn dir das nicht das nötige Selbstvertrauen gibt, um Mr Katz gegenüberzutreten, dann ist dir nicht zu helfen.«
    *
    »Wie spät ist es?«, fragt Ann ungefähr zum zwanzigsten Mal, seit wir Victoria Station hinter uns gelassen haben und auf dem Weg zu unserer Verabredung sind.
    »Es ist fünf Minuten später, als es war, als du das letzte Mal gefragt hast«, knurre ich.
    »Ich darf mich nicht verspäten. Das hat Miss Trimble in ihrem Brief ganz unmissverständlich klargemacht.«
    »Du wirst dich nicht verspäten, denn wir sind schon hier im Stadtteil Strand. Siehst du? Da ist das Gaiety.« Felicity zeigt auf die breite, geschwungene Fassade des berühmten Varietétheaters.
    Drei hübsche junge Damen kommen aus dem Theatergebäude. Mit dem auffallenden Federschmuck ihrer Hüte,

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