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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Antwortspiel, um herauszufinden, ob eine von ihnen etwas gehört oder gesehen hat, und sei es scheinbar noch so unbedeutend. Schließlich sind wir an der Reihe. Wir begeben uns dazu in den kleinen Salon mit seinen gemütlichen Möbeln und einem behaglichen Feuer. Brigid hat dem Inspektor eine Tasse Tee gebracht.
    Der Inspektor hat sonst immer ein fröhliches Zwinkern in den Augen, aber nun, wo er eine offizielle Aufgabe für Scotland Yard zu erfüllen hat, scheinen diese Augen bis in mein Innerstes zu blicken und meine Sünden aufzuspüren. Mit einem Kloß im Hals nehme ich auf meinem Stuhl Platz. Der Inspektor plaudert munter über alltägliche Dinge, über die Festlichkeiten, an denen wir bald teilnehmen werden, und den bevorstehenden Maskenball in Spence. Es soll uns beruhigen, aber es erhöht meine Besorgnis nur noch.
    Er zieht ein kleines Notizbuch heraus. Er befeuchtet seinen Daumen und benützt ihn, um das Buch zu durchblättern, bis er die gewünschte Seite gefunden hat. »Ah, da haben wir’s. Also. Meine Damen. Haben Sie irgendetwas Ungewöhnliches gehört – nächtliche Geräusche? Haben Sie etwas bemerkt, das Sie stutzig gemacht hat? Etwas Verdächtiges?«
    »N-n-nichts«, stottert Ann. Sie beißt an ihrer Nagelhaut, bis Felicity ihre Hand so eisern festhält, dass sie ihr zweifellos das Blut abschnürt.
    »Wir schlafen, Herr Inspektor. Wie sollten wir wissen, was bei Mr Millers Männern vor sich geht?«, sagt Felicity.
    Der Bleistift des Inspektors fliegt über die Seite des Notizbuchs. Seine Augen schnellen von Anns Gesicht zu ihrer umklammerten Hand. Er lächelt freundlich. »Die kleinste Kleinigkeit könnte ein entscheidender Hinweis sein. Kein Grund zur Schüchternheit.«
    »Haben Sie einen Verdacht?«, frage ich.
    Inspektor Kent hält meinen Blick eine Sekunde länger fest, als mir angenehm ist. »Nein. Allerdings erhärtet das meine Theorie, dass diese Männer betrunken waren und sich vom Lager entfernt haben, um ihren Rausch auszuschlafen. Und als sie wieder nüchtern waren, fürchteten sie den Zorn ihres Vorarbeiters und beschlossen abzuhauen. Oder vielleicht ist es auch ein Versuch, die Zigeuner in Verruf zu bringen.«
    »Vielleicht sind es die Zigeuner«, fügt Felicity rasch hinzu. Ich möchte ihr gegens Schienbein treten.
    »Das wäre eine bequeme Lösung«, sagt der Inspektor, während er Milch in seinen Tee rührt. »Vielleicht eine zu bequeme. Obwohl ich festgestellt habe, dass einer von ihnen heute Abend ebenfalls verschwunden ist.«
    Kartik. Er ist schon fort.
    »Nun, die Wahrheit wird ans Licht kommen. Das tut sie immer.« Inspektor Kent nimmt einen Schluck Tee. »Ah, das ist es, was die Welt zusammenhält. Eine gute Tasse Tee.«
    *
    Mir ist elend zumute, als wir ins Magische Reich zurückkehren. Die Sache mit meinem Bruder, mein Besuch bei Circe und der Streit mit Kartik bedrücken mich sehr. Aber die anderen sind vergnügt und bereit, das Wiedersehen groß zu feiern. Nur ich stehe abseits. Und im Geheimen fürchte ich, dass es immer so sein wird, ich allein, zu niemandem gehörend, zu keinem Volk, keinem Clan, immer am Rande des Geschehens. Die Traurigkeit fließt wie ein reißender Strom durch meine Adern, mit einem wilden, dröhnenden Refrain: Du bist allein, allein, allein.
    Felicity flüstert etwas in Pippas Ohr. Sie schließen die Augen und Pippa ruft: »Gemmai Für dich!«
    Jemand tippt mir von hinten auf die Schulter. Als ich mich umdrehe, sehe ich Kartik in einem schwarzen Mantel, und mein Herz macht einen kleinen Sprung. Es könnte Kartik sein, aber er ist es nicht. Die anderen lachen über Pippas Scherz. Ich finde es nicht lustig. Ich lege die Hand auf die Schulter des Phantoms und es verwandelt sich in einen alten Piraten mit einem Holzbein.
    »Die da«, sage ich und zeige auf Pippa. »Sie bittet um einen Tanz. Also nichts wie los.«
    Es ist ein ausgelassenes Fest, alle lachen, singen und tanzen und so bemerken sie nicht, dass ich mich fortstehle und zum Fluss gehe. Dort finde ich die Medusa, die gerade am Ufer anlegt.
    »Medusa!«, rufe ich, denn ich habe sie mehr vermisst, als mir bewusst war.
    Sie senkt die Planke für mich. Ich gehe an Bord und freue mich, die Schlangen zu sehen, die sich winden und nach mir züngeln.
    »Gebieterin. Mir scheint, du versäumst das Fest«, sagt die Medusa und nickt in die Richtung der Burg.
    »Es langweilt mich.« Ich strecke mich auf dem Rücken aus und schaue zu den ziehenden Wolken hinauf. »Hattest du je das Gefühl, ganz allein auf

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