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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Gefühl, irgendeine wichtige Aufgabe sei unerledigt geblieben. Wenn sie es vorzieht, kehrt sie ins Leben zurück, um diese Aufgabe zu Ende zu führen, doch damit verzichtet sie auf den ewigen Ruhm.«
    Die Greisin stakt das Boot weiter auf den See hinaus. Der Nebel fällt ein und verbirgt die Barke und die drei Frauen.
    Eugenia blickt ihnen nach, bis sie verschwunden sind. »Ich möchte befreit werden und endlich meinen Platz in dieser jenseitigen Welt und auf den Steinen einnehmen, die unsere Geschichte erzählen.« Sie streichelt mein Gesicht, liebevoll wie eine Mutter. »Werden Sie mir den Dolch bringen?«
    Der Nebel hüllt uns ein. »Ja«, antworte ich und wir sind wieder am Baum Aller Seelen angelangt. Ich starre in seine majestätische Krone hinauf- die drei starken Äste, die unzähligen kleineren Zweige, die sich immer weiter und weiter verzweigen, die feinen Adern unter der Haut des Baumes. Meine Freundinnen stehen noch genauso da wie zuvor, mit den Händen am Stamm des Baumes und einem Ausdruck der Ehrfurcht in den Gesichtern. Es ist, als lauschten sie auf Stimmen, die ich nicht hören kann, und ich fühle mich ausgeschlossen und allein.
    »Was geschieht mit meinen Freundinnen?«, frage ich.
    »Es ist die Magie des Baumes. Sie zeigt ihnen die Geheimnisse, die sie in ihren Herzen tragen«, antwortet Eugenia. »Ich muss jetzt gehen, Gemma.«
    »Nein, bitte, ich muss wissen …«
    »Sie dürfen nicht eher zurückkommen, als bis Sie den Dolch haben. Erst dann ist es sicher.«
    »Gehen Sie nicht!«, rufe ich. Ich versuche sie festzuhalten, aber sie ist so unfassbar wie die Luft. Sie verschwindet im Baum. Er nimmt sie in sich auf. Der Baum pocht; die Adern pumpen sein Blut rascher.
    »Willst du sehen?«, flüstert der Baum mit erstickter Stimme.
    Meine Freundinnen haben schon einen Blick auf die angeblichen Wunder in seinem Innern erhascht und ich bin es müde, abseits zu stehen.
    »Ja«, antworte ich herausfordernd. »Ich will.«
    »Dann sieh herein«, murmelt der Baum.
    Ich drücke meine Handfläche gegen die raue Rinde des Stammes und bin verloren.
    Bilder umkreisen mich wie Splitter in einem Kaleidoskop. In einem Bruchstück des Prismas sitzt Mae an einem Tisch, der sich unter einem üppigen Festmahl biegt. Ein Gang nach dem anderen wird aufgetragen. Unter dem Tisch sitzen magere, gierige Hunde. Sie raufen sich um Abfälle, aber Mae schenkt ihnen keine Beachtung. Sie will nie wieder hungrig sein.
    Ich sehe Bessie in einem kostbaren Kleid aus Gold und Edelsteinen und mit einem Hermelincape um die Schultern. Sie geht an Reihen zerlumpter, schmutziger Frauen vorbei, Näherinnen aus der Fabrik, in der sie ums Leben gekommen ist. Als sie den Fabrikbesitzer erreicht, einen dicken Mann mit einer Zigarre zwischen den Lippen, schlägt sie ihm ins Gesicht, wieder und wieder. Sie schlägt, bis er zu ihren Füßen kauert wie ein Tier. Ann ist in eine Flut von Rampenlicht getaucht. Sie verbeugt sich vor ihrem Publikum und genießt den donnernden Applaus. Wendy hat ein Häuschen mit einem Rosengarten. Sie benetzt die Knospen und diese entfalten sich zu prächtigen rosa und dunkelroten Blüten. Mercy fährt in der Kutsche eines reichen Mannes. Ich sehe Felicity in der Burg mit Pippa tanzen, die beiden lachen über irgendeine Heimlichkeit und dann sehe ich Pippa mit leuchtenden Augen auf dem Thron sitzen.
    Das Kaleidoskop dreht sich weiter. Ich sehe mich selbst und neben mir Pippa, mit einem verzückten Lächeln auf dem Gesicht. »Ja«, sagt sie, zu niemandem, den ich sehen kann. »Ich habe meine Wahl getroffen …«
    »Sieh genauer hin«, flüstert der Baum und meine Augenlider flattern. Alles, was ich tief in mir verschlossen hatte, steigt an die Oberfläche.
    Ich öffne eine Flügeltür und bin zurück in Indien. Es kann noch nicht Sommer sein, denn Vater und Mutter trinken ihren Tee im Freien. Vater liest laut aus der satirischen Zeitschrift Punch vor und bringt Mutter damit zum Lachen. Tom saust vorbei, ein verschwommener Fleck von einem Jungen. Sarita schimpft mit ihm, weil er Vaters alte Teekanne fast umgeworfen hat. Und ich bin da. Unter einem endlosen, strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Vater und Mutter lächeln, als sie mich sehen, und ich fühle mich als ein Teil von ihnen allen; nicht getrennt und allein. Ich werde geliebt.
    »Komm zu mir, Gemma«, ruft Mutter. Ihre Arme öffnen sich weit, um mich aufzunehmen, und ich renne los. Ich habe das Gefühl, alles wird gut, wenn ich sie erreiche; ich muss den Moment

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