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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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ist. Eugenia bestätigt diese Annahme. Doch Wilhelmina wollte nicht, dass sie den Ostflügel restaurieren.« Ann macht eine Pause. »Warum?«
    Felicity und ich zucken die Schultern.
    »Weil sie auf Gemmas Seite ist?«, überlegt Felicity, als wäre das vollkommen plausibel.
    »Dann ist da die Sache mit dem rätselhaften Satz Der Schlüssel zur Wahrheit ist golden« ,fährt Ann fort. »Welcher Schlüssel? Zu welcher Wahrheit?«
    »Dr. Van Ripple weiß angeblich nichts von einem Schlüssel – oder Dolch«, wiederhole ich. »Und die Schiefertafel gibt nichts preis; es ist nur eine gewöhnliche Schiefertafel.«
    Ann nimmt sich ein Stück Schokolade. Sie schiebt es nachdenklich im Mund herum. »Warum hat Wilhelmina den Dolch überhaupt genommen?«
    Eine Zeit lang ist im Zelt nichts anderes zu hören als das Trommeln unserer Finger in unterschiedlichem Rhythmus.
    »Sie wusste, dass der Dolch in den falschen Händen Chaos hervorrufen würde«, denke ich laut. »Sie traute Miss McChennmine und Mrs Nightwing nicht.«
    »Aber sie halten das Andenken von Mrs Spence in Ehren. Sie ist für sie wie eine Heilige«, meint Ann. »Was für einen Grund sollten sie haben, Eugenia Spence zu schaden?«
    »Es sei denn, sie haben sich nie wirklich etwas aus ihr gemacht. Manche Menschen tun nur so, als würden sie dich gernhaben, obwohl es in Wirklichkeit gar nicht stimmt«, füge ich bitter hinzu und denke dabei an Kartik.
    Wir werden durch lautes Klopfen an der Eingangstür unterbrochen. Brigid kommt zu Mrs Nightwing. »Verzeihung, Ma’m, aber da draußen ist eine Komödiantentruppe. Sie sagen, sie würden eine vergnügliche Vorstellung geben, wenn Sie so freundlich wären, sie zu empfangen.«
    Mrs Nightwing nimmt ihre Brille ab. »Komödianten? Kommt nicht infrage. Schicken Sie sie fort, Brigid.«
    »Ja, Ma’m.«
    Kaum hat Mrs Nightwing ihre Brille wieder aufgesetzt, bestürmen die Mädchen sie, ihre Entscheidung zu überdenken.
    »Oh, bitte!«, rufen sie. »Bitte!«
    Unsere Direktorin lässt sich nicht erweichen. »Diesen Leuten ist nicht zu trauen. Als ich ein Mädchen war, hätte man sie wahrscheinlich aus der Stadt gejagt. Im günstigsten Fall sind sie Bettler, im ungünstigsten Diebe und noch Schlimmeres.«
    »Was gibt es Schlimmeres als Bettler und Diebe?«, fragt Elizabeth.
    Mrs Nightwing kneift die Lippen zusammen. »Das tut nichts zur Sache.«
    Alle Mädchen drängen an die Fenster und drücken ihre Nasen an den Scheiben platt, in der Hoffnung, einen Blick auf diese verbotenen Männer zu erhaschen. Eine unbestimmte Gefahr geht von ihnen aus und zieht uns unwiderstehlich an. Die Komödianten lassen sich nicht so leicht vertreiben. Sie haben ihre Laternen ins Gras gestellt und beginnen mit ihrer Vorstellung. Wir öffnen die Fenster und strecken unsere Köpfe hinaus.
    »Wir entbieten Ihnen einen wunderschönen Abend, holde junge Damen!«, ruft einer von ihnen. Er jongliert mit mehreren Äpfeln und beißt von jedem, den er auffängt, ein Stück ab, bis sein Mund voll ist. Wir lachen über dieses spaßige Kunststück.
    »Bitte, Mrs Nightwing«, betteln wir.
    Schließlich gibt sie nach. »Also schön«, sagt sie mit einem tiefen Seufzer. »Brigid! Passen Sie gut auf das Silber auf und lassen Sie niemanden herein!«
    Wir stürmen auf den Rasen hinaus. Ungeachtet aller Warnungen unserer Direktorin sind die Komödianten mehr Clowns als Verbrecher. Ihre Gesichter sind mit angebranntem Kork geschwärzt und ihre Kostüme abgetragen, als seien sie schon wochenlang auf Englands Straßen unterwegs. Der große Mann in der Mitte trägt eine Tunika mit dem Bild des heiligen Georg. Ein anderer Mann trägt ein orientalisches Gewand wie ein Türke. Wieder ein anderer sieht entfernt wie ein Arzt aus. Unter einem Drachenkostüm sehe ich die Füße von zwei weiteren Männern.
    Der Anführer der Truppe tritt vor. Er ist ein hoch aufgeschossener Bursche, der einen Haarschnitt brauchen könnte. Sein mageres Gesicht lässt darauf schließen, dass der Hunger sein ständiger Begleiter ist. Er hat einen Zylinder auf, der schon bessere Tage gesehen hat, und die Farbe seiner Tunika ist verblichen. In seiner Hand hält er ein hölzernes Schwert. Er spricht mit den gerollten R s und den großen Gesten eines Varietétheater-Schauspielers. »Was für eine Geschichte sollen wir Ihnen erzählen? Eine bittersüße Liebesgeschichte? Oder eine spannende Geschichte von Abenteuer, vielleicht Tod?«
    Aufgeregtes Getuschel geht durch unsere bunt zusammengewürfelten

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