Kartiks Schicksal
heilige Georg!«, schreien wir fröhlich.
»Und ist er seines Zeichens ein Held … oder ein Schurke?«
»Ein Held ! « Denn wer würde den Schutzpatron Englands etwas anderes als einen Helden nennen?
»Oh, wer wird mich retten?«, klagt Ann laut. Sie ist wirklich ziemlich gut, aber der Komödiant hat keine Lust, sich die Schau stehlen zu lassen. Er umfasst ihren Arm mit festem Griff.
»Die Prinzessin ist so von Entsetzen gepackt, dass sie augenblicklich in Ohnmacht fällt«, sagt er unmissverständlich.
Anns Seitenblick lässt erkennen, dass sie ein bisschen ärgerlich ist. Aber wie verlangt schließt sie mit einem dramatischen Seufzer die Augen und erlaubt ihrem gefesselten Körper, kraftlos zu Boden zu sinken. Der heilige Georg tritt dem Drachen entgegen.
»Doch was ist das? Unser Held zögert. Zweifel nagt an seinem Herzen.«
Ein Komödiant, dessen Gesicht mit zwei verschiedenen Ausdrücken bemalt ist – einmal lächelnd und einmal finster dreinblickend –, schleicht sich an den Schauspieler, der den heiligen Georg spielt, heran. »Die Jungfrau kann nicht gerettet werden. Warum willst du dich für sie opfern?«
Wir quittieren das mit einem Chor von Buhs.
Der Schauspieler mit dem bemalten Gesicht wendet uns seine lächelnde Seite zu. »So ist es immer gewesen, das Opfer einer Jungfrau zur Besänftigung des Ungeheuers. Wagst du, dagegen aufzubegehren?«
»Zweifel quälen unseren edlen Helden«, dröhnt der Anführer. »Ich glaube, er braucht Ermutigung von solch reizenden und liebenswürdigen Damen, wie sie hier versammelt sind. Wollen Sie ihm helfen, seine Zweifel zu besiegen?«
»Ja!«, brüllen wir.
Der heilige Georg scheint in Gedanken versunken, als der Papierdrache sich mit einem leisen Knurren an Ann heranschleicht. Wir brüllen noch einmal aus voller Kehle und der Ritter zieht entschlossen sein Schwert. Ein wilder Kampf entbrennt. Der Drache ist besiegt, aber der heilige Georg ist verwundet. Er fasst sich an die Seite, fällt zu Boden und wir verstummen.
»Was ist das?«, sagt der Komödiant mit großen Augen. »Unserem Helden wurde ein Schlag versetzt! Ist hier ein Arzt?« Nichts passiert und der Komödiant wiederholt sichtlich gereizt: »Verdammt noch mal, ist hier ein Arzt?«
»Das bin ich.« Der Mann neben uns, der nur drei Zähne im Mund hat, erinnert sich an seine Rolle. Er stürzt nach vorn, mit einer Hand seinen Hut auf dem Kopf festhaltend, in der anderen eine gläserne Phiole schwenkend. »Ich bin der gute Doktor. Und ich hab eine Zaubermedizin, die ihn wieder ganz gesund machen wird. Aber damit der Zauber wirkt, muss jeder von uns daran glauben – glauben und anfassen.«
Mit großem Ernst reicht der gute Doktor die Phiole von einem Mädchen zum anderen weiter und bittet es, einen Wunsch hinzuzufügen. Dann wird die Phiole schleunigst zum verwundeten heiligen Georg gebracht und an seine Lippen gehalten. Er springt unter unserem tosenden Beifall auf die Füße.
»Unser Held ist wie neu geboren! Dein Zaubertrank hat ihm seine Tatkraft wiedergegeben! Und nun zu unserer holden Prinzessin.«
Der heilige Georg stürzt zu Ann. Er scheint drauf und dran zu sein, ihre Wange zu küssen, aber ein lautes Räuspern Mrs Nightwings ändert seinen Sinn. Stattdessen drückt er einen flüchtigen Kuss auf ihre Hand.
»Die Prinzessin ist gerettet!«
Ann erwacht mit einem Lächeln aus ihrer Ohnmacht. Wir jubeln wieder. Die Komödianten, die den Drachen verkörpern, gesellen sich zu Ann und dem heiligen Georg, sodass es scheint, als würden der tapfere Ritter und die holde Jungfrau auf dem Untier reiten. Sie winken freudestrahlend. Der Drache miaut und bringt uns damit zum Lachen. Es ist ein sehr glückliches Ende, wie wir es vermutlich erwartet haben. Die Komödianten verbeugen sich und wir applaudieren ihnen. Ihr Anführer legt seinen Hut auf den Boden und bittet um eine Spende, »wie klein sie auch sei«. Wir werfen unsere Münzen hinein, sehr zu Mrs Nightwings Missbilligung.
»Ja, ja«, sagt sie und scheucht uns ins Haus. »Seht zu, dass wir uns nicht erkälten.«
»Ann, du warst wundervoll«, sage ich, als sie zu uns stößt. Ihre Wangen sind rosig, ihre Augen klar. Der Erfolg steht ihr gut.
»Als der Drache auf mich zukam, hatte ich richtig Angst! Es war aufregend. Ich könnte mein Leben lang jede Nacht auftreten und nie müde werden zu spielen.« Sie schüttelt den Kopf. »Wenn ich jetzt für Mr Katz singen könnte, würde ich es tun und die Chance nicht wegwerfen. Aber es ist zu spät.
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