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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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für einen angenehmen Schlaf sorgen, aber ich höre ihr nicht wirklich zu. Meine Ohren sind auf das Dunkel unter uns gerichtet, wo ich dieses leise Kratzen und den allerleisesten Flüsterhauch von Gekicher höre.

43. Kapitel
    Getreu ihren Worten schickt uns Mrs Nightwing – unter ihrer Begleitung – am nächsten Morgen auf die fünf Meilen weite Fahrt nach Balmoral Spring. Während die Droschke über verschlammte Straßen holpert, wird mir klar, wie sehr ich mich auf das Wiedersehen mit Ann freue. Und ich hoffe, sie wird meine Entschuldigung für mein schlechtes Benehmen bei ihrer Abreise annehmen.
    Endlich sind wir da. Balmoral Spring ist ein Albtraum von einem Landsitz, bezeichnend für Leute, die neuen Reichtum, alten Ehrgeiz und einen in jeder Hinsicht erschreckenden Mangel an Geschmack besitzen. Ich frage mich, ob man in ganz England noch einen einzigen Dienstboten finden würde, denn Scharen von ihnen stehen bei unserer Ankunft bereit, um uns jeden Wunsch von den Augen abzulesen.
    Ich flüstere Felicity zu: »Siehst du Ann?«
    »Bis jetzt nicht«, antwortet sie und hält in dem Gewimmel Ausschau. »Was in aller Welt ist das?«
    Sie deutet mit dem Kinn auf einen riesigen Marmorbrunnen, auf dem Mr Wharton als Zeus und Mrs Wharton als Hera verewigt sind. Die Strahlen einer bronzenen Sonne scheinen hinter ihnen. Wasser tröpfelt in sehr unvorteilhafter Weise aus Mr Whartons Mund, so als würde er sabbern.
    »Wie absolut scheußlich!«, sagt Felicity und klatscht vor Wonne in die Hände. »Was für Wunder werden uns sonst noch erwarten?«
    Mrs Nightwing nimmt den Anblick des Brunnens, des Rasens, der Keramikengel neben den beschnittenen Hecken und des neu errichteten Musikpavillons in sich auf. »Gütiger Himmel«, murmelt sie.
    Mrs Whartons Lachen übertönt den Lärm. Wir sind in einfachen, leichten Sommerkleidern gekommen, mit Strohhüten auf dem Kopf, aber sie trägt eine kostspielige perlenbestickte blaue Robe, die besser für einen Ball passen würde. Brillanten hängen an ihrem Hals, obwohl es erst Mittag ist. Und ihr Hut ist ein Kontinent für sich. Eine rasche Drehung ihres Kopfes mäht beinahe ein Heer von Dienstboten nieder.
    »Wie wundervoll, dass Sie kommen konnten«, sagt sie zu unserer Begrüßung. »Versuchen Sie den Kaviar – er kommt geradewegs aus Frankreich!«
    Zuerst erkenne ich Ann gar nicht. Mit ihrem steifen Kleid, dem streng zurückgekämmten Haar gleicht sie nicht mehr dem Mädchen, das uns vor einigen Wochen verlassen hat. Sie ist eins dieser grauen Phantome, die am Rande jedes Festes zu finden sind, nicht ganz zur Familie gehörend, nicht ganz Dienstbote, kein Gast – irgendetwas dazwischen, das von niemandem zur Kenntnis genommen wird. Und als unsere Augen sich begegnen, senkt sie den Blick. Klein-Charlotte zerrt an Anns Kleid.
    »Annie, ich möchte im Rosengarten spielen«, bettelt sie.
    »Das letzte Mal hast du die Rosen abgebrochen, Lottie, und ich wurde dafür zur Verantwortung gezogen«, sagt Ann ruhig.
    »Oh, Annie«, sagt Anns Cousine, »lass sie in den Rosen spielen. Sie liebt sie so.«
    »Sie geht nicht vorsichtig mit den Blumen um«, antwortet Ann.
    »Du bist verpflichtet, darauf zu achten, dass sie es tut«, erklärt Mrs Wharton.
    »Ja, Mrs Wharton«, antwortet Ann dumpf und Charlotte grinst triumphierend. Ich kann mir ungefähr ausmalen, was für Schrecken Ann sonst noch zu ertragen hat.
    Felicity und ich folgen ihnen in sicherem Abstand. Ann versucht verzweifelt, mit den abscheulichen Kindern Schritt zu halten. Carrie, die erst vier ist, hat fast ständig ihre Finger in der Nase und nimmt sie nur heraus, um die ekligen Funde, nach denen sie gebohrt hat, zu begutachten. Aber Charlotte ist viel schlimmer. Wenn niemand hinsieht, knickt sie die Stängel der Rosen, sodass die vollen Blüten traurig an gebrochenen Hälsen hängen. Anns Ermahnungen stoßen auf taube Ohren. Kaum dreht sie Charlotte den Rücken zu, fährt die mit ihrem Gemetzel fort.
    »Ann!«, rufen wir. Ann sieht uns, tut aber so, als bemerke sie uns nicht.
    »Ann, bitte, sei nicht so abweisend«, beschwöre ich sie.
    »Ich hatte gehofft, ihr würdet nicht kommen«, sagt sie.
    »Ann …«,beginne ich.
    »Ich hab vollkommen versagt, stimmt’s?«, flüstert sie. »Carrie!«, ruft sie. »Du sollst nicht essen, was in deiner Nase ist. Es ist unappetitlich.«
    Felicity schüttelt sich. »Hu! Ich werde niemals Kinder haben.« Carrie bietet ihr die widerliche Perle an ihrem Finger an. »Nein, danke. Was für ein

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