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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Grinsen. »Recht so, Schätzchen.« Er hält seinen Mund gefährlich nahe an meinen Hals. »Aber keine Sorge, Miss Doyle. Ich bin heute nicht Ihretwegen gekommen. Ist Ihr Freund Kartik hier? Wenn nicht, kein Problem – ich werd ihn finden, garantiert.«
    Kartik.
    Ich drehe mich auf dem Absatz um und stürze aus dem Raum, während die Mädchen höflich knicksen und die Gäste ihnen applaudieren. Bis ich Kartik im Bootshaus erreiche, bin ich außer Atem. »Fowlson ist da. Ich glaube, er ist hinter Ihnen her«, keuche ich. »Um Ihnen etwas anzutun.«
    Er scheint nicht erschrocken, rührt sich nicht.
    »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
    »Ja«, sagt er und schlägt sein Buch zu. »Die Odyssee. Ich bin fertig damit, wenn Sie sie lesen möchten.«
    Ich packe ihn am Arm. »Wir müssen Sie verstecken. Ich könnte Sie in jemand anderen verwandeln oder …«
    »Ich werde mich nicht wieder verstecken«, sagt er. »Und ich machen mir keine Sorgen wegen Mr Fowlson.«
    »Nicht?«
    Er legt das Buch auf ein hohes Sims neben dem Fenster. »Ich habe meinen Sinn geändert. Ich muss wissen, ob Amar … ich muss Bescheid wissen. Verstehen Sie?«
    »Sie sind bereit, das Magische Reich zu betreten«, sage ich.
    »Ich weiß nicht, ob ich bereit bin«, sagt er mit einem kleinen spöttischen Lachen. »Aber ich will hin. Ich will es sehen.«
    Ich gebe ihm meine Hand. »Vertrauen Sie mir.«
    Kartik flicht seine Finger in meine. »Zeigen Sie es mir.«
    »Wir müssen vorsichtig sein«, sage ich.
    Da alle im Saal sind, um der Aufführung zuzusehen, ist der Rasen leer und still. Aber ich will keine Aufmerksamkeit erregen. Wir laufen geduckt über das Gras, bis wir den Turm des Ostflügels erreichen. Ich strecke meine Hand aus. Die Luft knistert. Das Tor tritt schimmernd hervor. Kartiks Gesicht zeigt ehrliche Bewunderung.
    »Das ist unglaublich«, flüstert er.
    »Das ist gar nichts«, sage ich. Ich fasse nach seiner Hand und führe ihn durch den Gang, und als wir hinaustreten, ist er ein verwandelter Mensch.
    »Willkommen im Magischen Reich«, sage ich.

52. Kapitel
    Zuerst zeige ich ihm den Garten, weil auch meine erste Begegnung mit dieser Welt hier stattgefunden hat und weil dieser Garten so schön ist, dass ich das Erlebnis mit ihm teilen möchte. Kartik dreht sich mit zurückgelegtem Kopf im Kreis. Weiße Blüten regnen herab und bedecken sein Haar und seine Augenlider wie Schnee. Er öffnet die Hände, um sie in Empfang zu nehmen.
    »Das ist der Garten«, sage ich fast stolz. »Da ist der Fluss. Dort drüben ist die Grotte, wo einmal die Runen des Orakels standen. Hier haben die Priesterinnen des Ordens einst geherrscht und die Rakschana mit ihnen.«
    »Mir ist, als sei ich in einem Traum.« Kartik schlendert zum Fluss und bewegt seine Hand über das rauschende Wasser. Wirbel aus Silber, Gold und Rosa springen an die Oberfläche, wo er sie berührt hat.
    »Sehen Sie sich das an«, sage ich. Ich blase gegen Grashalme und sie werden zu einem Geflatter von Schmetterlingsflügeln. Ein Schmetterling landet auf Kartiks ausgestreckter Hand, bevor er fortfliegt. Ich habe Kartik nie so glücklich, so sorglos gesehen. Er findet die Hängematte, die ich vor Wochen geflochten habe, und lässt sich hineinfallen, um dann dem sanften Gemurmel ihrer Fäden zu lauschen. Er rollt die Ärmel seines Hemds bis über die Ellbogen auf, und obwohl es unstatthaft ist, kann ich nicht umhin, rasche Blicke auf seine nackten Arme zu werfen.
    »Möchten Sie sich setzen?« Er bietet mir den schmalen Platz neben sich an.
    »Nein, danke«, zwinge ich mich zu sagen. »Es gibt so viel anderes zu sehen.«
    *
    Ich führe ihn durch die Klatschmohnfelder unterhalb des Tempels und zeige auf die Felsen, die sich hoch über uns erheben. Eingemeißelt in die Felswände sind die sinnlichen Bildnisse halb bekleideter Frauen, die mich erröten ließen, als ich sie zum ersten Mal sah. Aus dem Augenwinkel beobachte ich Kartik und bin neugierig, ob er sie skandalös finden wird.
    »Sie erinnern mich an Indien«, sagt er.
    »Ja, genau«, sage ich und hoffe, dass meine Stimme mich nicht verrät.
    Kartiks Blick landet auf meinem Hals und wandert schüchtern tiefer.
    »Ich möchte Ihnen die Höhlen der Seufzer zeigen«, sage ich. Meine Stimme ist ein wenig heiser.
    Ich führe ihn durch den engen Durchgang in der Erde, den Bergpfad hinauf, zwischen den Räuchertöpfen hindurch, die ihren farbigen Rauch ausstoßen, bis auf den Gipfel. Die Hadschin verbeugen sich vor uns und Kartik

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