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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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den Saum braun vor Schmutz; ihre Haut hat die Farbe des Todes. In ihrem glanzlosen Haar trägt sie einen Kranz aus verdorrten Blumen. Trotz allem erkennen wir sie. Sie ist die Freundin, die wir vor Monaten beerdigt haben, die Freundin, die nicht über den Fluss setzen wollte, die wir an die Winterwelt verloren glaubten.
    Ich spreche ihren Namen mit angsterstickter Stimme. »Pippa.«

10. Kapitel
    Felicitys Augen weiten sich. »Pip? Bist du es?« Pippa reibt sich mit ihren Händen die Arme, auf und ab, als sei ihr kalt. »Ja. Ich bin’s. Es ist eure Pip.« Keine von uns wagt sich zu rühren. Tränen strömen über Pippas Wangen. »Wollt ihr mich nicht umarmen? Bedeute ich euch nichts mehr? Habt ihr mich so schnell vergessen?«
    Felicitys Schwert fällt klirrend auf den harten Boden, als sie losstürzt und die Arme um ihre verlorene Freundin schlingt. »Ich habe ihnen gesagt, du würdest mich nicht ohne Abschied verlassen. Ich habe es ihnen gesagt.«
    Pippa sieht Ann an. »Ann, Liebling, willst du mich nicht als Freundin begrüßen?«
    »Natürlich«, sagt Ann und streckt der dünnen, zerbrechlichen Hülle Pippas ihre Arme entgegen.
    Schließlich kommt Pippa zu mir. »Gemma.« Sie schenkt mir ein trauriges kleines Lächeln und beißt sich nervös auf die Unterlippe. Ihre Zähne sind spitzer geworden und ihre Augen wechseln ständig von ihrem wunderschönen Veilchenblau zu einem beunruhigenden milchigen Blau. Ihre Schönheit hat sich verändert, aber sie ist immer noch faszinierend. Ihr langes, dunkles Haar ist nun ein Gewirr von Locken, so ungezähmt wie die Schlinggewächse, die sich um das Gemäuer ranken. Sie bemerkt, wie ich sie anstarre. »Gemma, du machst ein Gesicht, als hättest du einen Geist gesehen.«
    »Ich hab gedacht, du bist in die Winterwelt gegangen«, sage ich unsicher.
    »Ich habe es fast getan«, antwortet sie schaudernd.
    »Aber was ist geschehen?«, fragt Felicity.
    Pippa ruft zum Wald hinüber. »Alles in Ordnung! Ihr könnt herauskommen! Es besteht keine Gefahr. Das sind meine Freundinnen.«
    Eine zerlumpte Schar von Mädchen taucht eins nach dem andern aus ihren Verstecken hinter Bäumen und Büschen auf. Zwei von ihnen tragen lange Stöcke, die aussehen, als könnten sie Schmerzen zufügen. Als die Mädchen näher kommen, sehe ich die versengten Fetzen ihrer Kleider, die schreckenerregenden Verbrennungen auf ihren Gesichtern und Armen. Ich weiß, wer sie sind – die Mädchen aus der abgebrannten Fabrik, denen wir vor Monaten begegnet sind. Zuletzt sahen wir sie auf ihrem Weg in die Winterwelt. Ich bin erleichtert, dass sie diesem Schicksal offensichtlich entronnen sind, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie sie das geschafft haben.
    Eines der mit Stöcken bewaffneten Mädchen – ein grobknochiges Ding mit rauer Haut und hässlichen Narben entlang den Armen – stellt sich neben Pippa. Ich erinnere mich, dass ich schon früher mit ihr gesprochen habe. Bessie Timmons. Sie möchte ich lieber nicht zur Feindin haben.
    Das Mädchen streift uns mit einem misstrauischen Blick. »Alles in Ordnung, Miss Pippa?«
    »Ja, Bessie. Das sind meine Freundinnen, die, von denen ich euch erzählt habe«, sagt Pippa stolz.
    »Die, die sich die Magie des Tempels unter den Nagel gerissen und Sie alleingelassen haben?«, schnaubt Bessie.
    »Aber wie du siehst, sind sie zurückgekommen.« Pippa legt freudestrahlend ihre Arme um Felicity.
    Das gefällt Bessie überhaupt nicht. »Ich wäre lieber nicht zu glücklich. Sie sind nicht da, um zu bleiben.«
    Pippa droht ihr mit dem Finger wie eine strenge Lehrerin. »Bessie, denk an unser Motto: Grazie, Charme und Schönheit. Eine Dame muss sich von ihrer charmanten Seite zeigen, wenn sie Gäste begrüßt.«
    »Ja, Miss Pippa«, sagt Bessie zerknirscht.
    »Aber, Pip, wo bist du gewesen? Ich will alles wissen!« Felicity umarmt Pippa wieder.
    Ich weiß, auch ich sollte sie umarmen, wie Felicity und Ann es getan haben, aber ich sehe nur diese beunruhigenden Augen und die spitzen Zähne und ich fürchte mich.
    »Ich werde euch alles erzählen. Aber kommt mit hinein. Es ist viel zu kalt hier draußen.« Pippa nimmt Ann und Felicity an der Hand und steuert mit den beiden im Schlepptau auf die Burg zu. Bessie folgt ihnen murrend. Die übrigen Mädchen schließen sich an und ich bilde den Schluss.
    Pippa schiebt den eisernen Riegel des verzogenen hölzernen Tors zurück. Unkraut wächst durch die Ritzen und überwuchert die Vorderseite.
    »Da sind wir«, sagt Pippa und

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