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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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Kerzen, keine Lampen, kein Feuer in dem riesigen Kamin. Dennoch haben es sich die Fabrikmädchen gemütlich gemacht. Bessie streckt sich auf einem Sofa aus, zwischen dem Unkraut, das es überwuchert. Ihre Freundin Mae sitzt auf dem Boden und flicht das Haar eines jüngeren Mädchens, das offenbar Mercy heißt, denn Mae sagt immer wieder: »Mercy, halt still.« Ein anderes, noch jüngeres Mädchen sitzt in einer Ecke und starrt ins Leere. Ich kann meine Augen nicht von ihnen, ihren Wunden, ihren geisterhaft bleichen Gesichtern wenden.
    »Was gibt’s da zu schauen?«, faucht mich Bessie an.
    Meine Wangen glühen und ich bin froh über den Schutz des Dämmerlichts. »Es tut mir leid. Es ist nur, als ich euch alle das letzte Mal gesehen habe …«
    »Wir haben gedacht, ihr seid den Mädchen in Weiß in die Winterwelt gefolgt und wärt für immer verloren«, unterbricht Felicity.
    »Sie waren allerdings in der Gesellschaft von diesen Teufelinnen«, sagt Pippa und lässt sich auf einem schäbigen Thron nieder.
    »Was ist passiert?«, fragt Ann atemlos.
    »Das ist die Geschichte, die ich euch erzählen wollte. Zufällig befand ich mich auf demselben Weg, mit gebrochenem Herzen und völlig verzweifelt.«
    »Oh, Pip«, sagt Felicity.
    »Na ja.« Pippa grinst. »Die Geschichte hat ein Happy End. Ihr wisst, wie sehr ich Geschichten mag, die glücklich enden.«
    Ich schlucke schwer. Ich war es, die Pippa zurückgewiesen und ihr so das Herz gebrochen hat. Ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen.
    »Als ich diese armen Mädchen sah, hörte ich auf, mich selbst zu bemitleiden. Ich wusste, ich musste etwas tun, oder sie wären verloren. Also folgte ich ihnen. Als sie Rast machten und die Mädchen in Weiß auf die Suche nach Beeren gingen, packte ich die Gelegenheit beim Schopf. Ich sagte ihnen, was diese schrecklichen Wesen wirklich im Schilde führten. Dass sie beabsichtigten, sie geradewegs zu diesen Seelenfängern, diesen Todesschergen, zu führen.« Sie lächelt den Mädchen zu, als seien sie ihre Kinder. »Ich habe sie gerettet. Ich habe euch gerettet, stimmt’s, meine Lieben?«
    Die Mädchen bestätigen es im Chor. Sie blicken Pippa mit grenzenloser Bewunderung an.
    »Sie hat uns gerettet, so wahr wir hier stehen«, sagt Bessie eifrig. »Stimmt’s, Wendy?«
    Wendy, ein Mädchen von ungefähr zwölf Jahren, nickt. Sie lutscht an den Enden ihrer Zöpfe, sodass die Haarspitzen dunkel vor Nässe werden. »Die anderen waren nicht so glücklich wie wir. Sie sind weitergegangen.«
    »Und habt ihr seither irgendwelche Wesen aus der Winterwelt gesehen?«, frage ich.
    »Seit einer Ewigkeit nicht mehr«, sagt Mae. »Aber Wendy schon.«
    »Du hast sie gesehen?«, frage ich.
    Bessie gibt einen verächtlichen Laut von sich. »Wendy hat nichts gesehen. Überhaupt nichts. Sie ist blind. Das Feuer hat sie geblendet.«
    »Aber manchmal hör ich was«, sagt Wendy schaudernd und zieht die Reste eines Schals um sich. »Getrappel wie von Pferden. Und manchmal hör ich was, da kriecht es mir kalt über den Rücken.«
    »Was ist es? Was hörst du da?«, frage ich.
    »Einen Schrei«, antwortet sie. »Weit weg, irgendwie. Und ich hoffe, er kommt nie näher.«
    »Jetzt hab ich dich!«, ruft Bessie und schlingt ihre großen Pranken um Wendys Hals. Wendy schreit wie am Spieß.
    Pippa ist verärgert. »Bessie, das reicht.«
    Bessie zieht ihre Hände fort. »Sie haben sonst immer über meine Späße gelacht.«
    Pippas Augen werden bläulich-weiß. »Heute Abend finde ich es nicht amüsant. Es ist nicht damenhaft.« Sie lächelt uns strahlend an. »Ich bringe diesen Mädchen damenhaftes Benehmen bei, ganz so, als wären sie in Spence!« Sie klatscht in die Hände, als sei sie Mrs Nightwing selbst. »Los. Eine kleine Demonstration für unsere Gäste.«
    Die Mädchen erheben sich gehorsam, eifrig bemüht, ihre Lehrerin zufrieden zu stellen. Unter Pippas Anleitung fuhren sie eine nach der anderen ihre Knickse vor. Es folgt eine besonders unterhaltsame Sprechübung, die Pippa mit Mae Sutter abhält, um ihren breiten East-End-Akzent auszumerzen. Mae kämpft mit der Grammatik und den verschluckten Silben und Bessie zieht sie gnadenlos auf.
    »Du bist im Leben keine Dame, Mae. Du wirst nie eine feine Dame werden wie Miss Pippa.«
    »Hab dich nie nicht nach deiner Meinung gefragt«, knurrt Mae und alle lachen.
    »Ich habe dich nicht um deine Meinung gefragt«, verbessert Pippa.
    »Hab ich doch gesagt«, entgegnet Mae. »Hab sie nie nicht gefragt.«
    Noch

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