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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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ich und laufe zum Weg zurück. »Der Himmel war einen Moment lang ganz komisch.«
    »Wo?« Felicity betrachtet den Himmel, der sich wieder verdüstert hat.
    »Kommt weiter«, sage ich und gehe voraus.
    Wir folgen dem Weg, bis wir auf eine lange, dichte Brombeerhecke voll spitzer Dornen stoßen.
    »Was nun?«, fragt Ann.
    Durch die kleinen Lücken im Gestrüpp sehe ich eine seltsame Mischung aus Gras und Fels, Nebel und verkrüppelten Bäumen, ganz ähnlich den englischen Mooren in den unheimlichen Geschichten der Schwestern Bronte. Und weiter hinten erhebt sich etwas aus dem Dunst.
    »Was ist das dort?«, frage ich, durch eine Lücke schielend.
    Felicity sucht nach einem Guckloch. »Es ist hoffnungslos. Ich kann überhaupt nichts erkennen. Finden wir einen Weg durch das Gestrüpp.«
    Sie läuft an der Brombeerhecke entlang und bleibt immer wieder stehen, um deren Dichte zu prüfen.
    »Au!« Ich ziehe meine Hand zurück. Ich habe mich an einem der spitzen Dornen in den Finger gestochen. Ein Tropfen Blut hängt an der Dornenspitze. Mit einem qualvollen Seufzer entwirrt sich die Hecke. Die langen, dornigen Ranken lösen sich voneinander wie ein Knäuel Schlangen. Wir weichen zurück, bis eine schmale Öffnung erscheint.
    »Was machen wir jetzt?«, flüstert Ann.
    »Wir gehen hindurch«, antwortet Felicity mit der Andeutung eines todesmutigen Lächelns.
    Wir zwängen uns durch die enge Öffnung. Ein öder, schütterer Wald nimmt uns auf. Die Luft ist hier merklich kälter und verursacht uns eine Gänsehaut. Dicke Ranken kriechen über den Boden und winden sich um die Stämme der Bäume, nahezu alles erstickend, was hier vielleicht wachsen könnte. Ein paar tapfere Blumen stecken da und dort ihre Köpfe hervor. Es sind nicht viele, aber diese wenigen sind groß und schön – dunkelrot, mit riesigen Blütenblättern. Alles ist in ein blaues Licht getaucht, das mich an dämmerige Winterabende erinnert. Diese Gegend hat eine besondere Atmosphäre. Ich werde davon angezogen und gleichzeitig möchte ich weglaufen. Diese Gegend ist wie eine Warnung.
    Wir gelangen ans Ende des Waldes und stehen stumm vor Staunen. Auf einem Hügel erhebt sich eine gewaltige Burgruine. Ihre Mauern sind von blassem, kränklichem Moos und dicken, altersgrauen Ranken überwuchert. Baumwurzeln haben sich in den Stein gegraben wie knochige Finger, die sich um die Burg schlingen und sie in einer gewalttätigen Umarmung umklammert halten. Ein steinerner Turm hat sich der Umklammerung jedoch entzogen. Er ragt majestätisch aus den gierigen Händen des Hügels empor.
    Der Boden ist mit Raureif bedeckt. Es herrscht eine seltsame Stille, wie nach einem Schneeschauer.
    »Was ist das hier?«, fragt Ann.
    »Lasst uns hineinschauen!« Felicity stürmt los, aber ich halte sie zurück.
    »Fee! Wir haben keine Ahnung, wer dort wohnt!«
    »Genau!«, sagt sie, als hätte ich vergessen, warum wir überhaupt hier sind.
    »Darf ich dich an die Klatschmohnkrieger erinnern?« Mit Schaudern denke ich an jene grausamen Ritter, die uns in ihre Kathedrale gelockt hatten in der Absicht, uns zu töten und die Magie aus uns herauszusaugen, um sie sich selbst einzuverleiben. Als wir um unser Leben rannten, verwandelten sie sich in riesige schwarze Vögel, die uns bis aufs Wasser hinaus verfolgten. Es gelang uns, ihnen zu entkommen, aber ich werde so einen Fehler kein zweites Mal machen.
    Ann zittert am ganzen Leib. »Gemma hat recht. Lasst uns umkehren.«
    Blätterrascheln durchbricht die Stille. Ein Ruf tönt vom Wald her; er jagt mir einen Schauer über den Rücken.
    Huuuh-uuh!
    »Was war das?«, flüstert Ann.
    »Eine Eule?«, vermute ich. Mein Atem geht rasch.
    »Nein, ich glaube nicht«, sagt Felicity.
    Wir drängen uns dicht aneinander. Felicity hebt ihr Schwert. Magie durchströmt mich und bekämpft meine Angst. Rechts von mir nehme ich eine plötzliche Bewegung wahr, etwas Weißes blitzt zwischen dem Grün auf. Ebenso schnell flitzt links von mir etwas durchs Dickicht der Bäume.
    Huuuh-uuh. Huuuh-uhh.
    Wir scheinen davon eingekreist zu sein. Ein Laut hier; ein Laut da. Ein Farbstreifen huscht vorbei.
    Huuuh-uuh. Huuuh-uuuh.
    Näher jetzt. Ich weiß kaum, nach welcher Seite ich mich wenden soll. Die Büsche sind still. Aber jemand beobachtet uns. Ich kann es fühlen.
    »Z-zeig dich«, sage ich. Meine Stimme ist so dünn wie eine Mondsichel.
    Sie tritt hinter einem Baum hervor. Umrahmt vom düsteren Purpur der Nacht scheint sie zu leuchten. Ihr weißes Gewand ist rund um

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