Kartiks Schicksal
hinüber!«
»Es tut mir leid. Ich dachte …«
»Und jetzt … jetzt erklärst du mir … ich muss für immer hier … im Magischen Reich … bleiben! Ganz allein!«
Pippa kauert auf dem Boden. Sie rollt ihre Stirn im kühlen Gras hin und her.
»Du bist nicht allein. Du hast Bessie und Mae und die anderen«, sage ich, verzweifelt bemüht, etwas Hoffnung in meine Stimme zu legen, aber selbst ich kann hören, wie hohl es klingt.
Ihr Kopf schnellt plötzlich hoch; ihre Augen stehen voller Tränen. »Ja, diese schrecklichen Mädchen mit ihren grässlichen Brandwunden und den rohen Sitten! Was sind das für Freundinnen? Sie waren ein Mittel zum Zweck, um mir die Zeit zu vertreiben – nie werden sie Fee und Ann ersetzen. Bitte, lass mich nicht hier, Gemma. Nimm mich mit zurück. Bitte, bitte, bitte …« Sie rupft mit ihren kleinen Händen büschelweise Gras aus und weint, als würde ihr das Herz brechen. Ich kann meine eigenen Tränen kaum zurückhalten.
Ich setze mich neben sie und will ihr Haar streicheln. »Ruhig, sei ruhig, Pip.«
Sie schiebt meine Hand weg. »Es ist deine Schuld!«
Ich habe mich nie so elend und verzweifelt gefühlt. »W-was, wenn du Magie hast, um dir zu helfen?«, platze ich zwischen meinen eigenen Schluchzern heraus.
Pippas Tränen versiegen. »Magie? So wie früher?«
»Ja, ich …«
Die Medusa lässt mich nicht weitersprechen. »Gebieterin. Auf ein Wort, wenn du erlaubst.«
Die Laufplanke des Schiffes senkt sich mit einem leisen Knarren, ich gehe an Bord und nehme meinen bevorzugten Platz neben dem Gesicht der Medusa ein. »Worum geht es?«
Die Medusa flüstert mit ihrer zischenden Stimme: »Ich würde vor Übereilung warnen, Gebieterin.«
»Aber ich kann sie hier nicht so zurücklassen! Sie war eine von uns!«
»Das Mädchen hat seine Wahl getroffen. Jetzt muss sie die Bedingungen akzeptieren. Sie kann sich für die Winterwelt entscheiden oder einen anderen Weg wählen. Sie muss nicht fallen.«
Ich schaue zu Pippa hinüber, die Grashalme fein säuberlich entzweireißt. Ihre Haut ist blass, aber ihre Wangen sind vor Kummer gerötet. Sie gleicht einem verlorenen Lamm.
»Pip hat kein Talent, Entscheidungen zu treffen«, sage ich und fühle wieder Tränen aufsteigen.
»Dann ist es Zeit, es zu lernen«, sagt die Medusa.
Sie verhält sich, als sei sie meine Mutter, wie Miss Moore und Miss McChennmine es getan haben. Ich habe genug von Leuten, die mir sagen, was ich zu tun habe. Tom und Großmama und Mrs Nightwing. So viele, die mir mit ihren guten Absichten die Luft zum Atmen nehmen.
Die Medusa ist unbeeindruckt von meinen Tränen. »Mitleid kann ein Segen oder ein Fluch sein. Pass auf, dass deines dir nicht zur Falle wird. Das hier ist ihr Kampf, nicht deiner.«
»Du bist allzu hart. Es wundert mich nicht, dass du die Letzte deiner Art bist«, sage ich. Sofort tut es mir leid. Aber der Schaden ist angerichtet. Etwas wie Schmerz huscht über das sonst so unergründliche Gesicht der Medusa. Die Schlangen legen sich still nieder und schmiegen sich an ihre Wangen wie Kinder, die getröstet werden wollen.
»So ist es nun einmal«, sagt sie.
»So war es einmal. Alles verändert sich und nun, wo ich diese Kraft besitze, habe ich die Absicht, selbst einiges zu verändern«, entgegne ich hitzig.
Die Medusa forscht eine scheinbare Ewigkeit lang in meinem Gesicht. Dann schließt sie die Augen. »Tu, was du willst.«
Ich habe sie beleidigt. Diese Wunde werde ich später behandeln. Als Erstes muss ich jetzt Pippa helfen. Sie hat sich schluchzend am Ufer hingestreckt, erdrosselte Grashalme in ihren geschlossenen Fäusten. Nun setzt sie sich wütend auf. »Ihr werdet in eure Welt zurückkehren, ihr alle. Zu Bällen und Festen, Heirat und Kindern. Ihr werdet ein glückliches Leben führen und ich werde für immer hier sein, mit niemandem außer diesen schrecklichen Mädchen aus der Fabrik, die nie auf einer Teeparty gewesen sind.«
Sie sackt in sich zusammen und schaukelt hin und her wie ein kleines Kind. Ich kann ihre Qual nicht ertragen. Oder vielmehr meine Schuld, sie überhaupt ins Magische Reich gebracht zu haben – und ihr jetzt nicht helfen zu können. Ich würde alles tun, alles sagen, um mich von dieser Schuld zu befreien.
»Pip«, sage ich, »schhh. Gib mir deine Hände.«
»W-warum?«, fragt sie mit einem Schluckauf vom Schluchzen.
»Vertrau mir.«
Ihre Hände sind kalt und nass, aber ich halte sie fest. Ich fühle, wie mich die Magie mit einem heftigen Ruck verlässt,
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