Kartiks Schicksal
den Rakschana zu tun? Nach all Ihrem Gerede über Schicksal und …«
»Ich glaube nicht mehr an das Schicksal«, sagt Kartik mit zitternder Stimme. »Und wie Sie sich vielleicht erinnern werden, bin ich auch als Mitglied der Rakschana in Ungnade gefallen. Ich bin ein Mann, der nirgendwo hingehört, und das Meer wird mir guttun.«
»Warum kommen Sie nicht mit mir ins Magische Reich?«
Seine Stimme ist kaum ein Flüstern. »Ich werde das Magische Reich nicht betreten. Niemals.«
»Aber warum nicht?«
Er sieht mich nicht an. »Ich habe meine Gründe.«
»Dann nennen Sie sie mir.«
»Es sind meine Gründe, ganz allein meine.« Er reißt das Tuch in der Mitte entzwei und drückt mir eine Hälfte in die Hand. »Hier, nehmen Sie es. Zur Erinnerung an mich.«
Ich starre auf das zerknitterte Stoffknäuel. Ich möchte es ihm ins Gesicht werfen und triumphierend weggehen. Stattdessen umklammere ich es fest und hasse mich für meine Schwäche.
»Sie werden einen prima Seemann abgeben«, sage ich spitz.
*
Die Sonne geht schon langsam unter, als wir mit Päckchen vom Jahrmarkt beladen nach Spence zurückkehren. Mr Millers Männer legen für heute die Arbeit nieder. Schmutzig und schweißbedeckt verstauen sie ihre Werkzeuge in einem Wagen und waschen sich in dem Wassereimer, den das Küchenmädchen für sie dagelassen hat. Brigid reicht ihnen kühle Limonade, die sie in gierigen Schlucken trinken. Mrs Nightwing inspiziert mit Mr Miller den Fortschritt der Arbeit.
»Sehn Sie nur, Mr Miller«, ruft einer der Männer. »Der alte Stein da unten. Der ist glatt in der Mitte auseinandergebrochen.«
Mr Miller hockt sich nieder, um ihn sich anzuschauen. »Aye«, sagt er und wischt die Hände an seinen kräftigen Oberschenkeln ab. »Versteh nicht, wie das passieren konnte, so ’n dicker, harter Brocken, wie das ist.« Er wendet sich an Mrs Nightwing. »’s ist nur ’n Stein des Anstoßes, Missus. Sollen wir ihn rausholen?«
»Ja, tun Sie das.« Mrs Nightwing nickt.
Die Männer packen Schaufeln und Hacken und stoßen sie in die feuchte Erde rund um den Stein. Ich halte den Atem an und frage mich bang, ob das geheime Tor zum Vorschein kommen wird oder ob ihre Anstrengungen einen Einfluss auf unsere Eintrittsmöglichkeit haben werden. Aber ich kann nicht viel mehr tun als hoffen. Die Männer brechen die Steinhälften los und laden sie auf ihren Wagen.
»Vielleicht bringt der irgendwo ein Vermögen ein«, kichert Mr Miller.
Mutter Elena kommt aus dem Wald gestürzt und stolpert auf uns zu. »Das dürfen Sie nicht!«, schreit sie und mir wird klar, dass sie sich versteckt und alles beobachtet hat. Es läuft mir kalt über den Rücken, ohne dass ich erklären könnte, warum. Mutter Elena ist verrückt; sie sagt immer seltsame Dinge.
»Geh schon, verschwinde«, sagt Mr Miller und marschiert drohend auf die alte Frau zu.
Mutter Elena weicht zurück. »Zwei Wege«, murmelt sie. »Zwei Wege. Der Fluch wird über uns alle kommen.«
16. Kapitel
Wir müssen nicht bis nach Mitternacht warten, um uns aus Spence hinauszuschleichen. Alle sind müde und erschöpft vom Jahrmarkt und ich kann in den Gängen das Schnarchen der Schläferinnen hören. Aber wir drei sind wacher als je zuvor, kribbelig vor Erwartung. Wir treffen uns im Marmorsaal. Ich versuche, das Tor aus Licht erscheinen zu lassen, aber es gelingt mir nicht. Ich spüre, wie Fees und Anns Spannung in Verzweiflung umschlägt, also beschließe ich, den anderen Weg zu wählen.
»Gehen wir«, sage ich und führe sie nach draußen.
Die Nacht ist ein lebendes, atmendes Wesen voller Möglichkeiten. Am wolkenlosen Himmel blinken Tausende Sterne, die uns zu ermuntern scheinen. Der Mond sitzt rund und zufrieden in den Bäumen.
Ich strecke meine Hand aus und beschwöre in Gedanken das Tor. Seine Energie lässt meine Hand erzittern. Das geheime Tor taucht schimmernd auf, so deutlich wie zuvor, und ich stoße erleichtert die Luft aus.
»Worauf warten wir?« Felicity grinst. Wir schubsen uns gegenseitig an und stürmen lachend durch den leuchtenden Eingang, hinein ins Magische Reich. Arm in Arm folgen wir dem Pfad, der sich durch die Steine schlängelt, wachsam, damit uns niemand sieht und uns nichts entgeht, was auf irgendein Zeichen von Gefahr hindeutet.
»Oh, ihr Geschöpfe der Winterwelt«, ruft Felicity im Singsang, als wir uns dem Niemandsland nähern. »Kommt heraus aus euren Verstecken.«
Ann legt den Zeigefinger auf ihre Lippen. »Pst. Ich g-g-glaube, wir sollten lieber
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