Kartiks Schicksal
Unterröcke und Strümpfe in schamloser Zurschaustellung behängt ist; der Toilettentisch, auf dem unzählige Tiegel mit Cremes und Lotionen aufgereiht sind, daneben eine silberne Haarbürste und ein Handspiegel.
»Miss Trimble, die Misses Doyle, Worthington und Washbrad für Sie«, sagt die Zofe.
Eine bekannte rauchige Stimme tönt hinter der spanischen Wand hervor. »Danke, Tillie. Und, Schätzchen, du musst etwas mit dieser Perücke machen. Ich habe jedes Mal das Gefühl, ein Hornissennest auf dem Kopf zu tragen.«
»Ja, Miss«, sagt Tillie und verlässt uns.
Lily Trimble taucht hinter der spanischen Wand auf, in eine dunkelblaue Seidenrobe gehüllt, die um die Taille von einem goldenen Band mit Quasten zusammengehalten wird. Das lange, wallende Haar war nur eine Perücke; ihr eigenes Haar – von sanftem Kastanienbraun – trägt sie zu einem einfachen Zopf geflochten. Ann steht der Mund offen vor Ehrfurcht, einem solchen Star gegenüberzustehen. Als Miss Trimble ihre Hand nimmt, versinkt Ann in einem Knicks, als würde sie der Königin ihre Aufwartung machen.
Das Lachen der Schauspielerin ist so rauchig wie Zigarrenqualm und genauso betörend. »Nun, ich muss schon sagen, das ist eine höchst ungewöhnliche Begegnung«, sagt sie mit amerikanischem Akzent. »Offen gestanden habe ich in meinem Leben noch nicht allzu viele Herzoginnen kennengelernt. Welche von Ihnen ist die Herzogin von Doyle?«
Felicity wirft mir einen anerkennenden Blick für dieses Täuschungsmanöver zu, aber Lily Trimble hat etwas so Offenes und Aufrichtiges an sich, dass es mir unmöglich ist, sie anzulügen.
»Ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Keine von uns ist eine Herzogin, leider.«
Miss Trimble zieht eine Augenbraue hoch. »Ist das Ihr Ernst?«
»Wir sind von der Spence-Akademie für junge Damen.«
Nun fällt ihr auf, dass wir ohne Anstandsdame hier sind. »Ach ja. Die Erziehung junger Damen hat sich seit meiner Zeit dramatisch geändert. Nicht, dass meine Zeit schon so lang vorbei wäre.«
»Wir finden, dass Sie die großartigste Schauspielerin der ganzen Welt sind, und wir mussten Sie einfach kennenlernen!«, platzt Ann heraus.
»Und wie viele Schauspielerinnen haben Sie gesehen?«, fragt Miss Trimble. Sie bemerkt Anns Erröten. »Mmmm, dacht ich mir.« Sie setzt sich vor den Toilettentisch und massiert mit geübten Strichen Creme auf ihrem Gesicht ein.
»Unsere Ann, äh, Nan ist sehr talentiert«, sage ich rasch.
»Aha, ist sie das?« Miss Trimble dreht sich nicht um.
»Oh ja, sie kann wunderschön singen«, fügt Felicity hinzu.
Ann sieht uns entsetzt an und für einen Moment gerät das Trugbild ins Wanken. Ich schüttle den Kopf und lächle sie an. Ich sehe, wie sie kurz die Augen schließt, und alles ist wieder so, wie es war. Lily Trimble öffnet ein silbernes Etui und zieht eine Zigarette heraus. Der Schreck zeichnet sich auf unseren Gesichtern ab. Wir haben noch nie eine Frau rauchen sehen. Es ist furchtbar skandalös. Sie steckt die Zigarette zwischen ihre Lippen und zündet sie an.
»Und ich nehme an, Sie möchten, dass ich in der Truppe ein gutes Wort für Sie einlege?«
»Oh, so etwas k-k-könnte ich n-n-nie verlangen«, stottert Ann und errötet bis in die Haarwurzeln.
»Die Erfahrung, meine Liebe, hat mich gelehrt: Wer nicht fragt, bekommt nichts.«
Ann bringt die Worte kaum über ihre Lippen. »Ich würde … es gern versuchen.«
Die Schauspielerin studiert unsere Freundin durch eine Wolke von Zigarettenrauch. »Sie sind zweifellos hübsch genug, um auf der Bühne zu stehen. Ich war einst genauso hübsch.«
Sie löst ihren Zopf, holt ihr Haar nach vorn, umfasst es fest mit einer Hand und bürstet mit der anderen die langen Enden.
»Niemand ist so schön wie Sie, Miss Trimble.«
Wieder entschlüpft Lily Trimble ein rauchiges Lachen. »Na, na, Sie sind nicht zum Vorsprechen hier, mein Schatz. Sie müssen nicht Ihren Charme spielen lassen. Apropos Charmeschule, was würde Ihre Mutter zu alldem sagen?«
Ann räuspert sich leise. »Ich habe keine Mutter. Ich habe niemanden.«
Lily zieht nachdenklich an ihrer Zigarette. Sie bläst einen Rauchring und betrachtet sich selbst im Spiegel, dann hält sie darin Anns Blick fest. »Miss Washbrad, dieses Leben ist nichts für Zaghafte. Es ist ein Vagabundendasein. Ich habe keinen Ehemann, keine Kinder. Aber mein Leben gehört ganz mir. Und dann ist da der Applaus und die Bewunderung. Das hilft, um ein Mädchen in der Nacht warm zu halten.«
»Ja. Danke«,
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