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Kartiks Schicksal

Kartiks Schicksal

Titel: Kartiks Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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zittern und stürzen unter dem neuen Gewicht in sich zusammen.
    »Warum kümmere ich mich überhaupt darum?«, sagt sie abschätzig. Ihre Nadel stickt immer schneller und wütender. Wenn sie mich nicht mit Tadeln unterkriegen kann, bereitet sie mir Schuldgefühle.
    Ich versuche, das Kartenhaus wiederaufzubauen und meinen Balanceakt zu vollenden.
    »Bleibt stehen«, flüstere ich. Ich lege die letzte Karte aufs Dach und warte.
    »Weißt du mit deiner Zeit nichts Besseres anzufangen, als Kartenhäuser zu bauen?«, fragt Großmama spöttisch.
    Ich seufze und dieser winzige Luftzug vernichtet mein Werk. Die Karten purzeln durcheinander auf einen Haufen. Ich finde das überhaupt nicht lustig. Die Ereignisse des Nachmittags waren aufregend genug, und wenn ich schon keinen Trost finden kann, dann will ich wenigstens meinen Frieden haben. Ein bisschen Magie kann uns beide unsere Enttäuschung vergessen lassen.
    »Du wirst alles vergessen, was heute geschehen ist, nachdem wir die Schneiderei verlassen haben, Großmama. Ich bin deine geliebte Enkelin und wir sind glücklich, wir alle …«,murmle ich.
    Großmama schaut hilflos auf die Handarbeit in ihrem Schoß. »Ich … ich habe vergessen, wie ich sticken muss.«
    »Komm, ich helfe dir«, sage ich und führe ihre Hand, bis sie wieder weiterarbeiten kann.
    »Ah ja, du meine Güte. Danke, Gemma. Du bist ein so großer Trost für mich. Was würde ich ohne dich tun?«
    Großmama lächelt und ich lächle so gut ich kann zurück, obwohl ich mich tief in meinem Innern frage, ob ich nicht ein verlogenes Leben gegen ein anderes getauscht habe.
    *
    Ich werde durch ein wildes Klopfen geweckt. Das hat mir gerade noch gefehlt. Mir den Schlaf aus den Augen reibend, schleiche ich die Treppe hinunter. Es ist Tom, der diesen Krawall macht. Er ist in aufgekratzter Stimmung; tatsächlich betritt er singend das Wohnzimmer. Es ist eine ganz unnatürliche Erscheinung, so als würde man einen Hund beobachten, der Fahrrad fährt. »Gemma!«, sagt er erfreut. »Du bist wach!«
    »Na ja, es ist kaum möglich, bei diesem Krach nicht aufzuwachen.«
    »Tut mir leid.« Er verbeugt sich und richtet sich zu schnell wieder auf, sodass er über einen kleinen Tisch stolpert und eine Vase mit Blumen umstößt. Das Wasser ergießt sich auf Großmamas kostbaren Perserteppich. Tom versucht, die Vase zu retten, aber sie rollt ihm davon.
    »Tom, was tust du denn?«
    »Diesem alten Eimer geht’s nicht gut. Ich muss ihn behandeln.«
    »Es ist kein Patient«, sage ich und halte die Vase von ihm fern.
    Er zuckt die Schultern. »Trotzdem geht’s ihm nicht gut.«
    Tom sinkt in einen Sessel. Sein Atem riecht stark nach Alkohol.
    »Du bist betrunken«, flüstere ich.
    Tom hebt den Finger wie ein Anwalt, der einen Zeugen befragt. »Das ist eine schschsch … schschscha … schamlose Verleugnung.«
    »Verleumdung«, korrigiere ich.
    Er nickt. »Exakt.«
    Ich wurde von einem Idioten geweckt. Ich werde wieder ins Bett gehen. Meinetwegen kann er die Dienstboten quälen und dann in der Früh unter ihren vernichtenden Blicken zusammenschrumpfen. Eines ist klar, was immer ich ihm an Magie gegeben habe, es ist verschwunden und er ist wieder sein eigenes unmögliches Selbst.
    »Los, frag mich, wie mein Abend war«, sagt er viel zu laut.
    »Tom, senk deine Stimme«, flüstere ich. »Sei leise!«
    Tom wackelt mit dem Kopf. »Haargenau, genau das bin ich. Leise wie eine Kirchenmaus. Jetzt. Frag.« Er kreuzt mit einer so weit ausholenden Geste seine Arme, dass er sich dabei fast ins Gesicht schlägt.
    »Also gut«, sage ich. »Wie war dein Abend?«
    »Ich hab’s geschafft, Gem. Hab mich bewährt. Denn ich wurde gefragt, ob ich einem sehr exklusiven Klub beitreten möchte.« Exklusiv kommt wie »ex-schuusif« heraus. Er runzelt die Stirn, als er mein verwirrtes Gesicht sieht. »Du könntest mir gratulieren, weißt du.«
    »Dann also doch der Athenäum-Klub? Ich dachte …«
    Sein Gesicht verdüstert sich. »Oh. Der.« Er wedelt diese Vermutung mit der Hand fort. »Die nehmen keine Burschen wie mich. Du weißt doch. Nicht gut genug.« Der Alkohol hat Toms Bitterkeit noch verstärkt. »Nein. Hier geht es um etwas ganz anderes. So was Ähnliches wie die Tempelritter. Oder die Kreuzritter. Männer der Tat!« Er gestikuliert so wild, dass er die Vase fast noch einmal umwirft. Ich springe rasch hinzu.
    »Männer der zwei linken Hände wäre wohl zutreffender«, brumme ich. »Also schön. Du hast mich neugierig gemacht. Was ist das für ein

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