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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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Problem. Wenn man mal die Grenze überschritten hat, verroht man schnell, weißt du? Ein Leben ist irgendwie nicht mehr so unantastbar. Es ist da, und im nächsten Moment ist es nicht mehr da. Einfach weg. Das geht relativ leicht. Ich meine nicht physisch. Es ist oft Knochenarbeit. Ich rede von der psychischen Seite. Die sogenannte Hemmschwelle. Wenn man die mal überwunden hat, stellt man überrascht fest, dass sie eigentlich nie da war. Ich glaube, jeder ist in der Lage zu töten. Aber das ist nur eine persönliche Vermutung von mir. Entschuldige, wenn ich dich so vollquatsche. Ich habe nicht oft die Gelegenheit, mit jemandem darüber zu reden, wie du dir denken kannst.«
    Er hielt inne und sah die Angst in ihren Augen.
    »Ich hör jetzt auf damit. Am Ende fang ich noch an, mich zu rechtfertigen. Das wäre ja nachgerade ekelhaft.« Er legte seine Hand auf ihren Bauch, direkt unter dem Rippenbogen, und spürte unter dem Stoff des Tank-Tops ihr Herz pochen. »Also – wo ist Lenis Plüschlamm? Sagst du es mir?«
    Sie nickte, und das Schwarz ihrer Pupillen füllte beinahe die Iris aus.
    »Ich möchte nur keine Enttäuschung erleben, wenn wir dir das Band vom Mund ziehen. Irgend so einen Spruch wie ›Ich weiß nicht, wo es ist‹ oder ›Zu Hause in meiner Wohnung‹. Das hätte ich ganz ungern. Verstehst du das?«
    Sie nickte heftig.
    »Ich bin mir halt nicht sicher. Prophylaktisch sollte ich dir vor Augen halten, was passiert, wenn du mich enttäuschst.«
    Ihr Herz schlug noch heftiger unter dem gerippten Stoff.
    »Folgendes wird passieren«, sagte er und hielt ihr mit zwei Fingern die Nase zu.

Kapitel 57
    W allner kam kurz nach Mike bei der Villa an. Nur Katharina und Wolfgang Millruth waren im Haus. Katharinas Mann Dieter und die beiden Söhne Adrian und Henry waren in der Nähe des Spitzingsees unterwegs, um eine Bestandsaufnahme im Jagdrevier zu machen. Für die meisten jagdbaren Tiere war jetzt Schonzeit.
    Katharina Millruth hatte auf der Terrasse einen Kaffeetisch gedeckt, auf dem auch eine große Auswahl an Ostersüßigkeiten ausgebreitet war. Mike hatte das Gespräch eröffnet und seinen Gastgebern erklärt, dass er jetzt die Wahrheit über die Ereignisse an Weihnachten erfahren müsse. Das Leben von Henry Millruths Ex-Freundin Jennifer Loibl sei in Gefahr. Wolfgang sah Katharina an, die verkrampft wirkte und anscheinend überlegte, wie sie auf die Situation reagieren sollte.
    »Ich nehme an, Sie haben die Gerichtsakten gelesen. Oder waren in der Verhandlung«, sagte Wolfgang Millruth.
    »Beides.«
    »Dann wissen Sie ja, was Weihnachten passiert ist.«
    »Nein, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass Sie Ihre Nichte nicht erschossen haben.« Er wandte sich an Katharina Millruth. »Warum decken Sie den Mörder Ihres Kindes?«
    Sie atmete kurz durch, um danach beherrscht zu antworten: »Ich finde Ihre Unterstellung reichlich unverfroren. Um nicht zu sagen beleidigend.«
    »Soll ich Ihnen einen Tipp geben – so von Polizist zu Schauspielerin?« Katharina Millruth rührte angespannt in ihrem Kaffee, sah Mike dabei aber in die Augen. »So reagiert keine Mutter, der man zu Unrecht vorwirft, den Mörder ihres Kindes zu decken.«
    Katharina Millruth rührte noch eine Weile weiter in der Tasse. Wolfgang sah sie an, aber sie erwiderte seinen Blick nicht, sondern fixierte Mike. Schließlich sagte sie: »Sie gehen jetzt besser.«
    Mike dachte nicht daran zu gehen. Er wusste, dass der Widerstand bröckelte. Wolfgang Millruth hätte geredet, durfte aber offenbar nicht. »Wieso glauben Sie, dass Jennifer Loibl in Gefahr ist?«, fragte er.
    »Sie ist heute Morgen verschwunden und hatte Kontakt mit Hanna Lohwerk und Sofia Popescu, die beide ermordet wurden. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie jetzt auf der Liste des Mörders ganz oben steht.«
    Wolfgang blickte zu seiner Schwägerin. Etwas Bittendes, Aufforderndes lag in diesem Blick.
    »Mag sein, dass sich die Dame in Schwierigkeiten gebracht hat. Ich sehe allerdings nicht, wie wir da behilflich sein könnten.«
    Es klingelte an der Haustür. Katharina Millruth war sichtlich verärgert, dass noch jemand am Feiertag störte. Es war Wallner. Er wurde ebenfalls, wenn auch mit wenig Begeisterung, auf die Terrasse zum Kaffee eingeladen.
    »Ich nehme an, Sie kommen in der gleichen Sache wie Ihr Kollege«, sagte die Gastgeberin.
    »Das ist richtig. Sind Sie schon weitergekommen?«
    »Nein«, sagte Mike. »Herr Millruth und seine beiden Söhne sind im Wald. Und meine

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