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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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herkommen?«
    »Nein. Hat er nicht. Es ist nur so, dass wir eigentlich zum Frühstück verabredet waren.«
    »Offenbar hat es Ihr Großvater vorgezogen, nicht mit Ihnen zu frühstücken. Was ich im Übrigen gut verstehen kann.«
    »Können Sie das?«
    Jana Kienlechner streckte ihren Kopf nach vorn, was aggressiv wirkte und wohl auch so gemeint war. »Ich an seiner Stelle würde auch nicht bei jemandem bleiben, der mich tagelang alleine und ohne Essen zurücklässt, obwohl ich alt und gebrechlich bin und mich nicht selbst versorgen kann.«
    Manfred kam um die Ecke. Sein Schritt wurde erstaunlich behende, als er Jana und seinen Enkel beisammenstehen sah. »Servus, Clemens, was machst denn du da?«, fragte er mit aufgesetzter Unbekümmertheit.
    »Ich unterhalte mich mit Frau Kienlechner. Sie erzählt mir gerade interessante Dinge. Nämlich, dass man dich tagelang ohne Essen allein lässt. Und dass du nicht mehr in der Lage bist einzukaufen.«
    »Ohne Geld wäre das sowieso ziemlich schwierig«, mischte sich Jana Kienlechner ein, und ihre Stimme zerteilte die samtene Frühlingsluft wie ein Samuraischwert. »Ihr Großvater muss zur Tafel gehen, um etwas zu essen zu bekommen. Ich an Ihrer Stelle würde mich zu Tode schämen.«
    Wallners Mund stand offen, die Augenbrauen waren hochgezogen. Manfred lachte das Lachen des frohgemuten, alles verzeihenden Greises und legte seine Hand großväterlich auf Jana Kienlechners Unterarm. »Jetzt übertreibst a bissl. So schlimm is er gar net.«
    »Nein, nein. Jetzt nimm ihn nicht in Schutz, Manfred. Damit rechnet er doch. Dass er davonkommt. Weil du dich nicht wehrst. Mit alten Menschen kann man’s ja machen. Die verzeihen alles. Nur weil man mit ihnen verwandt ist.«
    Manfred versuchte mit heftigem Klopfen auf Jana Kienlechners Unterarm, ihren Redefluss zu unterbrechen. Aber die Frau war in Fahrt. Wallner verschränkte die Arme vor seiner Brust. Ihm kam in den Sinn, wie abwehrend diese Haltung wirken musste, sagte sich dann aber, dass verschränkte Arme genau das ausdrückten, was er im Augenblick fühlte, und blieb, wie er war.
    »Ich nehme jede Schuld auf mich. Allerdings wüsste ich gern, wie die Anklage genau lautet.«
    »Manfred, lass dich nicht einschüchtern. Er kann dir hier nichts tun.«
    Manfred setzte an, etwas Beschwichtigendes zu sagen. Doch Wallner kam ihm zuvor. »Wie lange habe ich dich alleine zu Hause gelassen?«
    »Sechs Tage. Nach zwei Tagen war nichts mehr zu essen im Kühlschrank. Und nachdem sich Ihr Großvater von Leitungswasser und Sägemehl ernähren musste, hat er seinen Stolz niedergerungen und ist zur Tafel gegangen, um endlich wieder etwas in den Magen zu bekommen.«
    »Sechs Tage!«, sagte Wallner und zog die verschränkten Arme noch ein wenig höher. »Wie die Zeit vergeht. Kam mir gar nicht so lange vor.«
    »Oh, jetzt werden wir auch noch ironisch. Sie lassen wirklich nichts aus, um Ihrem Großvater zu zeigen, dass Sie ihn nicht ernst nehmen.
Ich
nehme ihn ernst.«
    »Das finde ich sehr verdienstvoll. Aber vielleicht fehlt Ihnen auch ein bisschen Hintergrundwissen. Bis jetzt kennen Sie die Geschichte ja nur aus einer Perspektive.«
    »Wenn davon nur zehn Prozent wahr sind, wär’s schlimm genug.«
    »Langsam machen Sie mich neugierig. Aber vielleicht sollten wir uns erst mal zu zweit unterhalten?« Wallner sah zu Manfred, der peinlich berührt lachte.
    »Jetzt tun mir uns amal alle wieder beruhigen.« Manfred nahm erneut Jana Kienlechners Arm. »Vielleicht hab ich mich hier und da a bissl unklar ausgedrückt. So dass möglicherweise so a Eindruck entstanden ist, wie wenn mein Enkel sich net um mich kümmern tät.«
    »Der Eindruck ist allerdings entstanden. Und du musst nichts von alledem zurücknehmen. Nur weil er jetzt vor dir steht und dich unter Druck setzt.«
    »Nein, nein. Ich nehm ja nix zurück. Es ist ja nur … also ob des jetzt sechs Tage waren oder wie lang auch immer. Ich glaub net, dass ich sechs gesagt hab. Aber vielleicht hab ich das auch versehentlich … ich weiß es nimmer.«
    »Und wenn’s zwei Tage waren, wär’s genauso gemein.«
    »Vielleicht war’s auch kürzer. Aber ist ja egal. Ich sollt jetzt mal mit ihm allein reden. Bin gleich wieder bei euch.«
    Jana Kienlechner gab ein knurrendes Geräusch von sich und sah böse zu Wallner. Im Weggehen flüsterte sie Manfred zu: »Lass dich nicht unterbuttern. Wenn du Hilfe brauchst – ich bin nur ein paar Meter weg.«
    Manfred nickte großväterlich und wartete, bis sie außer

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