Kasey Michaels
musst
es nicht gleich jetzt auspacken“, sagte sie, als sie sich setzten.
Er
schüttelte den Kopf, während er nach dem Päckchen griff, das Swain Fitzgerald
durch mehr als sechs Kriegsjahre begleitet hatte. „Ich weiß, was drin ist, aber
ich muss es jetzt öffnen, sonst tue ich es nie.“
Er zog am
Ende der Kordel, die Schleife löste sich, die Umhüllung fiel auseinander, und
der Inhalt breitete sich auf dem Tisch aus. Es war erbärmlich wenig. Charlotte
griff nach der goldenen Taschenuhr, zog jedoch ihre Hand rasch wieder zurück.
Das Ding war blutverkrustet. Von Fitz' Blut.
Fitz'
Testament bot keine Überraschung. Alles, was er besaß, was außer der Uhr nur
ein kleines, heruntergekommenes Gut in County Cork in Irland war, gehörte nun
Rafe, der es für Lydia verwalten sollte, bis sie volljährig war.
Und dann
war da noch ein Brief, ein einzelnes gefaltetes Blatt auf dem Meine liebste
Lyddie stand.
„Oh, du
lieber Gott“, seufzte Rafe. „Muss ich ihr das geben?“
Charlotte
trocknete sich mit einem Taschentuch die Augen. „Hast du denn eine Wahl, Rafe?
Fitz wollte, dass sie es bekommt.“
„Ach,
Charlie, wenn ich nur bei ihm gewesen wäre, wenn ...“
„Hör auf
damit, Rafe, bitte. Fitz ging, weil er dort gebraucht wurde; deine Pflicht lag hier. Du musst jetzt an Lydia denken. Sie braucht dich.“
Seine Augen
brannten von ungeweinten Tränen. Unglücklich sah er Charlotte an. „Was kann
ich denn tun? Was soll ich ihr sagen?“
„Du musst
nichts sagen, Rafe“, flüsterte sie und küsste ihn auf die Wange. „Geh
einfach zu ihr. Halt sie im Arm, lass sie trauern. Und auch du musst dir zu
trauern gestatten.“
Er atmete
tief ein, es klang fast wie ein Schluchzen. „Ich brauche dich; Charlotte, ich
kann dir gar nicht sagen, wie sehr ...“
Während er
Fitz' Brief in die Tasche steckte, stand er auf und ging zur Tür, wo er die
Stufen zu den Schlafräumen betrachtete, als wären sie die dreizehn Stufen zum
Galgen. Doch er würde tun, was sein Freund von ihm erwartete.
Oben
klopfte er an Lydias Tür, und kurz darauf öffnete Nicole und trat, behutsam die
Tür hinter sich schließend, zu ihm auf den Gang hinaus. Ihre Augen waren feucht,
und ein Schmerz war darin zu lesen, der ihm das Herz abdrückte.
„Nicky, wie
geht es ihr?“
„Sie ist am
Boden zerstört, Rafe. Ich kann sie nicht trösten.“
„Lass mich
zu ihr.“
Nicole
nickte, dann aber hob sie den Kopf in einer Art wilden Trotzes. „Mir wird das
nie geschehen, dafür sorge ich. Mir wird die Liebe niemals antun, was sie Lydia
angetan hat. Ich werde mich nicht verlieben, nie, niemals.“
Rafe
schwieg. Was konnte man dazu sagen? Besorgt schaute er ihr hinterher, als sie,
ihre Röcke raffend, den Gang entlangrannte. Sie war so jung. Beide, sie und
Lydia waren noch so jung.
Doch Lydia
war heute um vieles älter geworden.
Noch einmal
klopfte er an die Tür, rechnete jedoch nicht mit einer Antwort. Nach einem
Augenblick drückte er die Klinke und trat ein.
16. Kapitel
ie
zurzeit in so
vielen Häusern im Königreich, so herrschte auch am Grosvenor Square Trauer.
Als zum
Dinner geläutet wurde, kam niemand herunter, und Charlotte ordnete schließlich
an, dass dem Hausherrn und seinen Schwestern eine kleine Mahlzeit in ihren
Zimmern serviert werde.
Sie selbst
speiste im Morgensalon, oder tat wenigstens so. Mrs Buttram, die versuchte,
seichte Konversation zu machen, erntete wenig Aufmerksamkeit, und war klug
genug, sich kaum, dass sie fertig war, rasch zu entfernen.
Zurück
blieb Charlotte; in den Fenstersitz geschmiegt, starrte sie hinaus durch die
Scheiben in die sinkende Nacht, während der Himmel dunkler und dunkler wurde
und tausend blinkende Sterne erschienen, ein ungewöhnlicher Anblick über
London. Welcher Stern mochte zu Fitz gehören?
Als die Uhr
in der Halle neun schlug, hievte
Weitere Kostenlose Bücher