Kasey Michaels
sagte.
Als Rafe
ihr aus der Kutsche half, spürte er, dass ihre Finger vor Aufregung eiskalt
waren. Während er sie über den verschmutzten Gehweg führte, streifte er die
anderen Passanten nur mit hochmütigen Blicken.
Seine
Erfahrung aus dem Krieg kam ihm zugute, als er die schmale, trotz des
Tageslichts düstere, von hohen Häusern überschattete Gasse begutachtete, in die
sie einbogen.
In dem
fahlen Licht sah Rafe einen dürren, schwarz gekleideten Mann herumlungern,
der, als er ihn bemerkte, eilig die Gasse
überquerte und in einem schmalen Durchgang neben dem Bordell verschwand.
„Der gehört
dazu. Schau, er schlüpft gerade in die Seitentür dort“, erklärte Rafe
leise. Er musterte ein paar andere Leute, die sich auf der Straße herumtrieben.
„Und da vorn steht noch einer. Es hatten sich ja zwei geprügelt, wie du mir
sagtest. Ich weiß, was sie vorhaben. Der eine wird uns ins Haus folgen, der
andere kommt ihm vom Hintereingang her zu Hilfe. Und Hobart ist der Dritte.
Aber ich mag mir gar nicht ausmalen, wo der gerade ist. Nur eins weiß ich: Er
wird Nicole nicht anrühren, sonst verliert sie ihren Wert für ihn.“
„Glaubst du
wirklich, er will sie verkaufen? Ich ... ich dachte, er will sie für sich
selbst“, sagte Charlotte.
Wie als
Antwort auf ihre Frage kam, die Blenden vor den Fenstern herabgelassen, ein
schwarzer Reisewagen angerollt, fuhr an ihnen vorbei und hielt vor der Tür des
Etablissements.
Der Schlag
ging auf, und ein hochgewachsener Mann in schwarzem Domino, den Hut weit ins
Gesicht gezogen, stieg aus und sprang, ohne rechts und links zu schauen, die
Stufen hinauf, während ihm oben schon die Tür geöffnet wurde. „Wo ist
sie?“, blaffte er laut genug, dass Rafe und Charlotte es hören konnten.
„Und wehe, sie ist nicht mehr unberührt!“
„Dieser
perverse Schweinehund! Charlie, warte hier!“, befahl Rafe, doch sie
rannte schon los, mit den Händen die Pistolen festhaltend.
Der Kerl,
der den Eingang beobachtet hatte, flitzte über die Straße, einen Knüppel
schwingend, den er hinter dem Rücken verborgen gehalten hatte. Doch Rafe hatte
ihn nicht vergessen. Während er sich mit einer Hand an dem Treppengeländer
abstützte, drehte er sich, riss einen Fuß hoch, trat mit aller Kraft und
erwischte den Burschen kräftig unter dem Kinn. Aufschreiend landete der im
Unrat der Straße, wo er das Bewusstsein verlor.
„Da! Nimm!
“, rief Charlotte und reichte Rafe die eine Pistole. „Hinter dir! Pass
auf!“
Der, der
dem eifrigen Kunden die Tür geöffnet hatte, war neugierig
vor die Tür getreten und hätte Rafe niedergeschlagen, wenn Charlotte nicht
ihre Warnung ausgestoßen hätte. Rafe duckte sich, wirbelte auf dem Absatz
herum, schoss in die Höhe und stieß seinem Gegner den Kopf brutal in den Magen,
packte ihn gleichzeitig bei den Oberschenkeln, hob ihn an und schleuderte ihn
über seinem Kopf hinweg so fest auf das Pflaster, dass er ebenfalls reglos
liegen blieb.
„Mein
Gott“, sagte Charlotte bewundernd, „das war ... sehr ordentlich!“
„Hat Fitz
mich gelehrt, den Trick“, sagte Rafe und packte Charlottes Hand. „Los, die
Tür ist offen; gehen wir einfach rein, was? Und gib mir die andere
Pistole!“
„Nichts da.
Die behalte ich.“
Zeit zu
streiten war nicht. Mit vorgehaltener Pistole trat Rafe in den kleinen Flur,
und Charlotte folgte ihm auf dem Fuße.
Drinnen
stand eine freundlich blickende grauhaarige Frau in bescheidenem Kleid, das ihr
den Anschein einer gütigen Großmutter gab.
Jäh
aufwallende Wut ließ Rafe alle Pläne in den Wind schlagen. „Wo ist sie?“,
herrschte er die Frau an. „Wo ist das Mädchen, das Hobart Ihnen heute
brachte?“
An eine
Wand gedrückt, stand der Mann, der in der schwarzen Kutsche gekommen war. „Was
ist hier los?“,
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