Kasey Michaels
Mama.“
„Mama?“
Nicole fielen fast die Augen aus dem Kopf. „Sagtest du nicht, wir brauchen
eine respektable Person? Da sie gerade mal wieder Witwe ist, würde sie uns
vermutlich jeden wegschnappen, der sich für mich oder Lydia interessiert. Mama
wäre eine Katastrophe!“
„Da
könntest du recht haben. Aber da ist noch eine Möglichkeit. Da Rafe nun der
Duke ist, obliegt ihm die Pflicht, für einen Erben zu sorgen. Gib ihm ein Jahr,
dann hat er eine süße Gemahlin gefunden, die nur zu willig sein wird, euch in
die Gesellschaft einzuführen, denn jede Frau mit nur ein klein wenig Hirn wird
froh sein, euch – dich wahrscheinlich besonders – aus ihrem Haushalt
loszuwerden“, sagte Charlotte leicht amüsiert und versuchte gleichzeitig, den Stich
in ihrer Brust zu ignorieren.
„Eine
Gemahlin ...“ Nachdenklich murmelte Nicole: „Rafe braucht eine Gemahlin,
natürlich. Und Lydia ist noch nicht ganz bereit für ihr Debüt. Ich wäre im
Handumdrehen verheiratet, und sie hätte das Nachsehen, genau wie die arme
Charlotte hier. Als gute Schwester kann ich das nicht zulassen, außerdem wäre
Lydia ohne mich verloren.“
Charlotte
verschränkte die Arme vor der Brust und tappte warnend mit der Fußspitze auf
den Boden. „Anscheinend muss ich das heute verflixt oft sagen: Ich kann dich
hören, Nicole!“
„Was? Tut
mir leid, Charlotte. Hör doch: Könntest du dir nicht vorstellen, Rafe zu
heiraten? Er ist nicht hässlich – und das sage ich als seine Schwester – und er
ist sehr reich. Und er scheint dich zu mögen. Und immerhin hast du zugegeben,
dass du mal in ihn verliebt warst ... Und da du mich und Lydia schon
kennst, müssten wir dich nicht ... äh ... an uns gewöhnen, wie es bei einer
Fremden notwendig wäre.“
Den Blick
auf ihre Schuhspitzen gesenkt, erklärte Charlotte: „Du kannst das Leben eines
Menschen nicht verplanen, wie es dir passt. Rafe wird heiraten, wen und wann er
will.“
„Aber nein.
Die Leute heiraten aus allen möglichen Gründen. Tante Emmaline erzählte uns,
dass dein Papa für dich den ...“
„Ich hab's
mir überlegt, Nicole“, warf Charlotte, Tränen unterdrückend, rasch ein.
„Geh, beichte es Rafe, mach reinen Tisch, auch wenn ich ihm gestehen muss, dass
ich ihn angelogen habe, dass Emmaline schon seit sechs Monaten fort ist, dass
ich euch nicht beaufsichtigt habe und dass ihr mich gründlich genarrt habt.
Los, erzähl's ihm.“
Verdutzt
rief Nicole: „Was habe ich denn gesagt? Ich habe dich wütend gemacht. Tut mir
leid, Charlotte. Ich bin unverschämt und eigennützig und denke immer nur an
mich. Aber ich finde einfach, dass Rafe und du so gut zueinander passt. Und es
wäre so einfach, weil wir doch alle Freunde sind und ... du ... du ihm gesagt
hast, dass du hier bei uns wohnst.“
Charlotte
rutschte der Magen in die Kniekehlen. „Oh Gott, ja, das
sagte ich, was? Wie konnte ich das vergessen?“
„Und du
meinst, zu schwindeln wäre einfach! Was nun? Sagen wir Grayson, er soll
jemanden um Kleidung zu dir nach Hause schicken? In diesem Kleid jedenfalls
kannst du nicht zum Dinner hinuntergehen.“
„Warum
nicht?“ Charlotte betrachtete im Spiegel ihr schlichtes, graues,
unmodernes Gewand. „Was ist mit meinem Kleid?“
„Liebe
Freundin, wenn du das nicht selbst siehst, dann kannst du wirklich nicht über
unser Debüt wachen.“
„Ich
verstehe immer noch nicht, wie du auf die Idee kommst, dass dein Bruder euch
nach London bringen würde.“
„Nein? Da
ich durchaus vernünftig sein kann, sehe ich ein, dass wir die nächste Saison
auslassen müssen. Aber wenigstens müssen wir im Frühjahr nach London reisen,
auch wenn wir noch nicht an gesellschaftlichen Ereignissen teilnehmen. Siehst
du das nicht ein? Unser ganzes Leben lang sind wir hier oder auf Willowbrook
eingesperrt gewesen. In
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