Kasey Michaels
nicht meine
Mutter. Sie brach zusammen, kaum dass der Duke gegangen war, und seitdem ist
sie ... nun, du hast gesehen, wie sie ist. Und ich werde ihr nie sagen können,
wie es wirklich war.“
„Und dein
Vater?“
„Behauptet
mittlerweile, er glaube mir, aber ich weiß, dass er mir die Schuld gibt, auch
für Mamas Zustand. Nur wenige Wochen später waren der Duke und seine Söhne
tot. Doch was passiert war, war passiert.“
„Und lässt
sich auch nicht rückgängig machen“, sagte Rafe. „Charlie, ich will Rose
Cottage nicht. Das werde ich auch deinem Vater mitteilen – außer du möchtest es
ihm selbst sagen.“
„Ich danke
dir. Rafe, hör ... Emmaline und ich verbrannten den Heiratskontrakt. Papa sagt,
wir könnten dafür ins Gefängnis kommen.“
Er schaute
sie an und lächelte schwach. „Also kannte Emmaline die Wahrheit?“
„Als sie
von der Verlobung erfuhr, glaubte sie, ich wäre verrückt geworden. Und ich
musste es einfach jemandem erzählen.“
„Charlie,
ich kann dich nur für meinen Onkel und meine Cousins um Verzeihung bitten, und
ich bin froh, dass sie tot sind. Weißt du, eigentlich müsstest du alle
Daughtrys hassen, ich würde es dir nicht verdenken.“
„Rafe, du
bist nicht wie sie – warst nie so. Darum werde ich auch manchmal so wütend,
wenn ich sehe, wie du dich benimmst, als wärest du hier ein Eindringling und
hättest den Titel nicht verdient. Dein Onkel und seine Söhne, die hatten den
Titel nicht verdient.“
Rafe ging
zu ihr, blieb jedoch ein paar Schritte vor ihr stehen und fuhr sich mit der
Hand durchs Haar. „Ich möchte dich in den Arm nehmen, dich trösten, dir den
Schmerz nehmen. Aber das würde nur meinen Schmerz lindern, nicht wahr? Das
Letzte ... also, ich meine, das Letzte, was du jetzt willst, ist wohl, dass
dich ein Mann berührt. Gleich welcher.“
„Du bist ja
nicht sie, und das weiß ich, dennoch ...“
„Nicht
jetzt“, sagte er leise und ruhig. „Ich verstehe das. Und ich werde dich
nicht mehr drängen. Ehrlich.“
Sie nickte,
blinzelte ein paar Tränen fort und stand langsam auf, schwerfällig wie eine
alte Frau. „Ich muss hinauf, sehen, wie es meiner Mutter geht.“
Als sie
beinahe an der Tür war, hielt Rafes Frage sie zurück. „Hättest du es
tatsächlich getan, Charlie? Hättest du ihn geheiratet?“
„Ich weiß
es nicht. Das habe ich mich wieder und wieder gefragt,
schon vor seinem Tod. Hätte ich gewagt, fortzulaufen, mich vielleicht sogar
selbst getötet, um ihn nicht heiraten zu müssen? Hätte ich das meinen Eltern antun
können, wo Mama so krank ist und Papa sein Wort gegeben hatte? Selbst jetzt
kann ich es nicht sagen, ehrlich. An jenem Abend – ich hätte nicht bei den
Ställen sein dürfen, hätte schon nicht allein, ohne Groom, ausreiten sollen.
Ganz schuldlos bin ich nicht. Obwohl – sollte man nicht wenigstens auf dem
eigenen Land sicher sein?“
„Aber dann
hätte Nicole ihre Juliet selbst in den Stall gebracht. Nicole hätte gesehen
...“
„Ich weiß,
und das war lange Zeit mein einziger Trost.“ Mit diesen Worten huschte sie
aus dem Zimmer.
Genau wusste Rafe nicht, warum er sich
neuerdings wohler in seiner Haut und in seinen veränderten Lebensumständen
fühlte, doch es war so.
Vielleicht
hatte ihn Charlotte angespornt, die darauf beharrte, dass er keine
Schuldgefühle haben müsse, weil er den Platz seines Onkels einnahm.
Vielleicht
hatte es auch damit zu tun, dass Charlotte, während er auf dem Festland im
Krieg gekämpft hatte, hier ihren eigenen Krieg hatte ausfechten müssen und es
ihr irgendwie gelungen war, aus diesem entsetzlichen Erlebnis so freimütig und
offen und ehrlich hervorzugehen, wie er sie vorher gekannt hatte.
Oder
vielleicht lag es auch nur daran, dass er an dem Tag, als Charlotte ihm alles
erzählt hatte, abends zu Fitz hinaufgegangen war und sich
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