Kasey Michaels
Mal, dass er dem Feind gegenübersteht.“
„Aber was
können wir tun?“
„Ich weiß
es nicht. Ich kann ihm nicht nach Brüssel folgen; er würde wissen, dass ich als
sein Kindermädchen käme, und das würde alles nur schlimmer machen. Er ist ein
erwachsener Mann. Ein guter Soldat und mehr als das. Tapfer, furchtlos, mehr
als einmal hat er mir das Leben gerettet.Verdammt, musste er sich ausgerechnet
jetzt verlieben?“
„Ich glaube
kaum, dass man sich den Zeitpunkt aussuchen kann, Rafe.“ Charlotte
betrachtete den Brief. „Er hat geschrieben, was er für notwendig hielt, und mir
scheint, er weiß, wie theatralisch er klingt. Wenn es so weit ist, wenn
Bonaparte mit seinem Heer anmarschiert, wird er wieder der Alte sein. Das
Warten zerrt einfach an seinen Nerven, das ist alles. Er hat nur zu viel Zeit
zum Grübeln.“
Rafe
überflog die Blätter noch einmal. „Vermutlich hast du recht. Nein, du hast recht.
Seine ersten Worte hier galten seinen Männern. Ich kann ihn förmlich sehen,
wie er das sitzt und schreibt, allein bei einer Kerze, die Flasche neben sich,
an der er sich bedient, und mit sinkendem Inhalt sinkt seine Stimmung, bis er
Dinge schreibt, die er beinahe sofort bedauert.“
„Er will,
dass du von seiner Liebe zu Lydia weißt, das finde ich wunderbar.“
Zu ihr
aufblickend sagte Rafe: „Danke, Charlie, wie stets bist du die Vernünftige
hier. Ich werde ihm schreiben, er soll kein Dummkopf sein, sondern lieber dafür
sorgen, dass er heil zu Lydia heimkommt.“ Er zog ein Blatt Papier mit dem
eingeprägten Familienwappen zu sich heran.
Charlotte
schob ihm das Tintenfass hin. „Genau das braucht er, Rafe. Deinen Segen.“
Während er
schon die Anrede schrieb, meinte er: „Na, er ist aber auch ein Narr, zu
glauben, den würde er nicht bekom men.
Herrgott, er ist mein Freund, und ich habe ihn wahnsinnig gern, den Dummkopf.
Ich weiß, verflixt noch mal, nicht, was ich ohne euch beide tun würde.“
„Ohne uns
beiden Dummköpfe“, sagte Charlotte und wandte sich zur Tür. „Wie charmant
Sie doch sind, Euer Gnaden.“
„Charlie,
warte! Ach nein, du weißt genau, was ich meinte, wie ich es meinte.“ Und
dann, als er ihre belustigte Miene sah, lächelte er. „Ich bin eben ein Soldat
und immer noch so ungeschliffen wie damals als grüner Junge, als ich Ashurst
Hall verließ.“
„Ja, du
musst dich wirklich langsam um etwas Haltung bemühen“, entgegnete sie, ein
Lachen unterdrückend. „Denk nur, wie sehr das deiner Mutter gefallen
würde.“
„Zum
Teufel, sie würde mich wie einen Stutzer herumlaufen lassen und mich an eine
fette Erbin verheiraten, die ebenso hohl und seicht wäre wie sie selbst. Da
ziehe ich dich bei Weitem vor, Charlie.“
„Noch
einmal, Ihre Komplimente, Euer Gnaden, überwältigen mich. Und nun schreib Fitz
ein paar ermunternde Zeilen, gib ihm deinen Segen und sag ihm, dass du es nicht
erwarten kannst, bis er wieder hier ist und ihr beide euch schamlos betrinken
könnt, während er dir von Bonapartes Schande berichtet.“
Er sah sie
an. „Weißt du, was du gerade gemacht hast? Du hast mich gehindert, rührselig zu
werden. Oder?“
„Mag
sein.“
„Danke.“
„Nichts zu
danken“, sagte sie leise, und wie sie ihn dabei anschaute, erwachte in ihm
die Hoffnung, dass es auch für sie beide letztendlich gut ausgehen würde.
Er war in
der letzten Zeit beinahe Tag und Nacht im Ministerium gewesen, hatte manchmal
sogar auf dem Diwan in seinem Büro geschlafen, immer in Sorge um das, was jeden
Moment geschehen musste. Doch Bonaparte würde vernichtet werden, ein
für alle Mal, daran glaubte er fest. Und er würde mit Charlotte nach Ashurst
Hall zurückkehren, wo sie sich
ganz einander widmen würden. Wie sehr er sich nach diesem Tag sehnte!
„Charlie“,
tastete er sich vor, zögerte dann, seiner nächsten Worte
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