Kasey Michaels
nicht sicher. Auch das
schien sie zu wissen, denn sie sagte: „Du musst dich beeilen; sagtest du nicht,
du würdest im Ministerium dringend gebraucht? Und du willst den Brief an Fitz
doch in die Nachmittagspost geben. Wir sehen dich beim Dinner?“
Er nickte
und wandte sich seinem Brief zu.
Die Uhr in der Halle schlug
Mitternacht, als Charlotte entschied, dass es albern war, wenn sie weiterhin
hier hockte und mit gespitzten Ohren lauschte, ob Rafe endlich heimkäme.
Zum Dinner
war er nicht erschienen, sondern hatte eine kurze Nachricht geschickt, dass es
mindestens neun, wenn nicht später werden könne, und Charlotte wusste und verstand,
er würde im Ministerium bleiben, so lange er dort von Nutzen sein konnte.
Trotzdem zögerte sie, sich zurückzuziehen, ehe er kam. Da waren diese
Anschläge auf sein Leben. Mindestes drei Mal hatte jemand versucht, ihn
umzubringen, und er wusste, sie sorgte sich, weshalb er sie auch neuerdings
stets benachrichtigte, wenn er sich verspätete.
Nun, da
selbst Nicole und Lydia längst nach oben gegangen waren, und sogar die
,eifrige Hummel', wie Nicole Mrs Buttram betitelte, sich zu Bett begeben hatte,
fand Charlotte es ziemlich ungemütlich, hier allein zu sitzen und so offensichtlich
auf Rafe zu warten.
Schließlich
legte sie das Stickzeug nieder, mit dem sie sich beschäftigt hatte, und ging in
die Halle, wo sie eine der in einem Leuchter bereitstehenden Kerzen entzündete.
Eine stand noch da, für Rafe, und sie betrachtete sie seufzend. Wirklich, er
war erwachsen, und sie machte sich mit ihrer Sorge um ihn lächerlich.
Mit einem
Gruß an den einsamen Lakaien, der die Tür hütete, raffte sie ihre Röcke und
stieg die breite Treppe hinauf, hielt jedoch am oberen Absatz inne, als sie von
unten Stimmen hörte.
Rafe! Er war zurück. Sollte sie warten und ihn necken, dass das aber nicht
neun Uhr sei? Sollte sie ihn fragen, ob er gegessen hatte oder vielleicht noch
eine Kleinigkeit hinaufgeschickt haben wollte? Sollte sie vielleicht aufhören,
sich wie ein hysterisches Gänschen zu verhalten?
„Rafe?“,
sagte sie so nonchalant wie möglich, als sie seine Schritte hinter sich auf den
Stufen hörte. „Ich will auch gerade zu Bett gehen und ...“
Im Sprechen
wandte sie sich zu ihm um, und ein Blick in sein Gesicht ließ sie mitten im
Satz abbrechen.
„Rafe?
Rafe, was ist mit dir?“
Er
befingerte seine bleiche Stirn unter seinen feuchten, wirren Locken. Mit der
anderen Hand klammerte er sich an das Geländer, als werde er jeden Moment
stürzen.
„Nichts ...
bin, glaube ich, am Schreibtisch eingeschlafen ... so dumm ...“
Als er die
Treppe erklommen hatte, eilte sie zu ihm. Selbst im trüben Flackerlicht der
beiden Kerzen sah sie, dass es ihm nicht gut ging. Sein Augen glänzten fiebrig,
und sein Gesicht war unnatürlich gerötet.
Prüfend
berührte sie seine Wange, zog aber ihre Hand hastig zurück. „Mein Gott, Rafe!
Du glühst ja! Du bist krank.“
„Nein,
nein“, murmelte er, während er an ihr vorbeidrängte und beinahe taumelnd
den Gang entlangging. „Ist nur dies verdammte Fieber. Kommt und geht. Ist
morgen wieder weg. Keine Sorge, Charlie ... geh zu Bett.“
Sie sah ihm
zu, wie er sich ungeschickt mit dem Türknauf abmühte. „Hör auf!“, sagte
sie energisch, schob seine Hand fort und öffnete ihm die Tür. „Da, hinein mit
dir, und ich werde Phineas
rufen! Ach, ich vergaß, es ist sein freier Tag heute.“ Sie nahm Rafe bei
der Hand, eine trockene, heiße Hand, und zog ihn in sein Zimmer. „Komm, du
musst ins Bett.“
„Das glaube
ich auch“, murmelte er, wobei er mit seinem Krawattentuch kämpfte. „Heiß
hier drin ...“
„Ja, ja,
sicher“, stimmte sie zu und schob ihn durch den großen Raum zu dem hohen,
breiten Himmelbett. Einmal dort, versuchte sie, ihn von
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