Kasey Michaels
genauso gut schlagen können. Oder
vielleicht hatte sie sich auch nur endlich verständlich gemacht, denn – endlich
– ja, endlich verstand er, was da nicht stimmte, was die ganze Zeit über
zwischen ihnen nicht gestimmt hatte.
„Niemand
fühlt sich gern nur geduldet, nicht wahr, Charlie – Charlotte. Nicht der arme
Neffe, der an der unwillig gebotenen Mildtätigkeit seines Onkels fast erstickt,
noch die Frau, die
sich als stark und mutig genug sieht, um für sich selbst zu sorgen. Es gibt nur
wenige Frauen wie dich, Charlotte. Glaubst du wirklich, dass du mir leidtust?
Dass alles, was seit meiner Rückkehr zwischen uns beiden geschah, von Mitleid
diktiert war?“
Sie biss
sich auf die Unterlippe, in ihren Augen standen Tränen. „Ich ... nein, ich
glaube nicht, dass du mich bemitleidest, Rafe. Ich glaube, du magst mich. Und
das freut mich, denn unsere Freundschaft ist mir kostbar. Ich schätze deine
Ehrlichkeit, deine ernste, verantwortungsvolle Natur. Ich habe dich geliebt,
als wir noch jung waren, als ich ein Kind war. Ich ... ich vertraue dir.“
Er sah nur
noch einen Weg: Er musste ihr weiter zusetzen; sie sollte alles sagen, alles
loswerden, jetzt, damit sie beide ganz von vorn beginnen konnten. „Aber du
traust mir nicht zu, dass ich weiß, was ich will, was mein Herz will?“
„Wenn ...
wenn jene Nacht damals nicht gewesen wäre? Wenn du einfach aus dem Krieg
zurückgekommen wärst, mich wiedergesehen hättest, mich umworben hättest, wie
ich es mir immer erträumt hatte, während du fort warst? Dann wäre ich die
glücklichste Frau in ganz England, Rafe, wirklich. Ich will dich nicht
belügen, denn das hilft uns beiden nicht, und in unserer Lage kann einzig die
Wahrheit helfen. Es war nun einmal nicht so, und wir können nicht so tun, als
ob. Du küsst mich, und ich muss gegen die Angst ankämpfen, die in mir
aufflammt, obwohl ich eigentlich einfach nur deinen Kuss erwidern
möchte.“
Er ging zu
ihr und streckte ihr seine Hand entgegen. „Aber wir kommen vorwärts, Charlie –
Charlotte – nicht wahr?“
Eine Träne
rann ihr über die Wange. „Ja, Rafe, wir kommen vorwärts. Aber das bedeutet
nicht, dass du mich liebst – oder dass ich dich liebe.“
„Was
bedeutet es dann?“
„Ich ...
ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht einer Verlobung zustimmen
werde, die dir aufgezwungen wird. Diesen Zwang habe ich selbst zur Genüge
kennengelernt.“
„Das meinst
du ernst, was?“, fragte er sehr ruhig. „Auch jetzt noch
denkst du nur an mich, nicht an dich selbst. Charlotte, um Himmels willen,
könntest du bitte jetzt ein einziges Mal an dich denken?“
„Aber ich
denke an mich, ganz selbstsüchtig“, erwiderte sie ebenso ruhig. „Wenn ...
wenn wir uns je mehr sein sollen als jetzt, muss ich wissen, dass wir zu dieser
Entscheidung gemeinsam kamen, indem wir uns die Zeit dazu gelassen haben.“
Trotzig hob sie das Kinn. „Und zum Teufel mit der sabbernden Mrs
Buttram.“
Nun war ihm
vieles klar geworden, so vieles, das er vielleicht nicht hatte sehen wollen.
Er hatte sie schützen wollen, sie ihrerseits ihn. Was waren sie beide für
Dummköpfe! Wenn es auch vermutlich nicht gut wäre, ihr das gerade jetzt zu sagen.
„Also
gut“, meinte er endlich, „so weit stimmen wir wenigstens überein. Zum
Teufel mit Mrs Buttram. Und da du öfter mit ihr zu tun hast als ich, sag, was
glaubst du? Ist sie empfänglich für Bestechung?“
So
erleichtert schaute sie ihn an, dass er wusste, er hatte genau das Richtige
gesagt. „Ich würde es zumindest nicht ausschließen, ehe ich es nichtversucht
hätte.“
„Dann wird
es versucht.“ Er streckte ihr die Hand entgegen, als wolle er einen
Vertrag besiegeln. Doch als sie danach griff, zog er sie näher zu sich heran,
bis sie kaum eine Spanne voneinander entfernt waren.
„Rafe!“
„Du hast
gesagt, dass wir gemeinsam und mit Geduld
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