Kasey Michaels
Gegner?“
„Ungewollt.
Ich war einer von Justins Sekundanten, ich sah alles. Sein Gegner drehte sich
schon auf Zwei herum und drückte ab. Wir riefen Justin eine Warnung zu, und er
fuhr herum und feuerte ebenfalls. Es war Selbstverteidigung. Aber der Mann war
tot, und Justin musste aus England fliehen. Nur seine wertvollen Dienste für
die Krone, nehme ich an, und die verflossene Zeit erlaubten ihm wohl jetzt,
zurückzukehren. Ich frage mich, wie er wohl nach den acht Jahren seiner
Abwesenheit empfangen werden wird. Sehen Sie, sein Duellgegner war der Sohn
eines Earls. Zwar ist man im ton nur immer mit dem neuesten Tratsch ganz
glücklich, aber jener spezielle Tratsch wird vielleicht nun wieder aufgerührt,
vor allem, da Justin sich so kühn im Park zeigt. Fast als ermutigte er alle zu
Gerede.“
„Aber Sie
werden zu ihm halten.“ Das war eine Feststellung.
Tanner
schaute sie an. „Ja, sicher. Selbst wenn – nein, besonders, weil Justin die
alten Kränkungen immer noch zu spüren scheint. Auch wenn er mit Ihnen gescherzt
hat, so haben anscheinend die Wunden seiner misslungenen Ehe und die Folgen
daraus doch seine Meinung von der Weiblichkeit sehr stark geprägt.“
„Oder
sorgten vielleicht dafür, seinen Glauben an seine Urteilsfähigkeit, wenn es um
Frauen geht, zu unterminieren.“
Mit der
Bemerkung zog sie sich einen scharfen Blick von Tanner zu. „Justin Wilde?
Seiner selbst nicht sicher? Das halte ich für unmöglich.“
„Zweifel
sind grausamer als die schlimmste Wahrheit. Nachdem er, wie er Ihnen
eingestanden hat, vor Jahren in einer Herzensangelegenheit einen so
schrecklichen Fehler beging, wie kann er da seinem Urteil trauen?“
Als sie in
den Grosvenor Square einbogen, bereute Tanner schon, den Park verlassen zu
haben, denn nun gab es keine Entschuldigung, diese ihn verwirrende
Unterhaltung fortzusetzen. „Er braucht wirklich einen Freund, meinen Sie? Trotz
seiner scheinbar so großen Selbstsicherheit.“
„Er hat
einen Freund“, sagte Lydia und legte Tanner eine Hand auf den Arm. „Und
ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass Sie einen sehr guten Freund
abgeben.“
Mit dem
Gefühl, als hätte er sein Totenglöckchen läuten hören, dankte Tanner ihr. Ihm
kam ein anderes Zitat in den Sinn, nicht von Moliére. Etwas über Freundschaft,
die Liebe ohne Flügel ist ...
3. Kapitel
iebe Nicole,
du bist
kaum einen Tag fort, und schon finde ich eine solche Menge zu erzählen. Gerade
jetzt sollte ich mich für Lady Chalfonts Ball ankleiden, aber du weißt ja, dass
ich das möglichst lange aufzuschieben pflege. Es gibt nicht viele Dinge im
Leben, die mir wirklich verhasst sind, doch Bälle stehen eindeutig beinahe an
der Spitze dieser kurzen Liste.
Du würdest
stolz auf mich sein. Ich hatte heute einen Wutanfall, so gut wie mitten im Hyde
Park während des nachmittäglichen Aufmarschs der Massen (ein solch betrübliches
Gedränge betrüblicher Leute!). Ich glaube, ich habe Tanner mit dem Ausbruch
erschreckt, vielleicht ebenso sehr wie mich selbst, aber ich muss dir gestehen,
ich bin es so leid, in Watte gepackt zu werden. Nicht dass du das je mit mir
gemacht hättest! Mir wird deine offene, direkte Art fehlen, deshalb habe ich
beschlossen, selbst direkt zu sein, zu mir und für mich. Immerhin bin ich eine
Daughtry. Da muss doch auch in mir ein wenig feuriges Blut fließen? In diesem
Sinne verkündete ich Tanner heute Nachmittag, dass es mir lieber wäre, er
fühlte sich mir nicht verpflichtet, nur weil er Captain Fitzgerald ein
Versprechen gab.
Er
wirkte sehr überrascht, dass ich davon wusste. Aber ich sagte ihm nichts von
dem letzten Brief des Captains an mich, der, den Tanner mir unwissentlich
selbst überbrachte an jenem schicksalhaften Tag im vergangenen Frühjahr.
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