Kasey Michaels
lesen konnte, wer dann noch? Sie musste sich wirklich besser
in Acht nehmen! Immerhin war der Duke drauf und dran, seine Cousine – seine
entfernte Cousine – zu heiraten. „Der Duke ist mein Freund, Sarah.“
„Ja,
Mylady, sicherlich. Aber vielleicht möchte er mehr als ein Freund sein?
Eigentlich steht es mir ja nicht zu, das zu sagen, aber als Sie mit Seiner Gnaden
heute Nachmittag aus dem Haus gingen, haben Maisie und ich zufällig aus unserem
Zimmerfenster geschaut. Seine Gnaden, meinte Maisie, hatte eindeutig einen
sehr federnden Schritt, wenn Sie wissen, was ich meine. Wenn Sie nun bitte ein
wenig in die Knie gehen und die Arme heben wollen, damit ich Ihnen das Kleid
überstreifen kann? Dann wird bestimmt nicht ein Härchen an Ihrer Frisur
gekrümmt! Genau so! Und wollen Sie wirklich nicht wenigstens einen winzigen
Hauch Rouge für die Wangen?“
Lydia
tauchte aus der üppigen zartblauen Seidenwolke auf; ihr lag auf der Zunge zu
fragen, was es mit dem federnden Schritt auf sich habe, so unziemlich die Frage
sein mochte.
„Ah, doch
nicht nötig, Miss“, plauderte die junge Zofe jedoch weiter, „nun haben
Sie ganz ohne Nachhilfe hübsch rosige Wangen. Woher kommt das wohl? Da,
fertig!“ Sie schloss die letzten Knöpfe im Rückenteil der Robe. „Ich hol
noch schnell Ihr Abendcape. Wenn Sie nur noch die Handschuhe anziehen
wollen?“
Als Sarah
aus dem Zimmer huschte, hastete Lydia zum Spiegel und betrachtete sich
abermals. Herrgott, ihre Wangen waren tatsächlich gerötet. Und glänzten ihre
Augen etwa mehr als sonst? Nur wegen Tanners angeblich federndem Schritt?
Sie beugte
sich weiter vor und bemerkte plötzlich, dass ihr Kleid – so hübsch mit der
Rüsche entlang des Dekolletés und den schmalen Schulterträgern – viel tiefer
ausgeschnitten war, als sie es von der letzten Anprobe in Erinnerung hatte.
Fast eine Handbreit tiefer!
Wie konnte
die Schneiderin einen solchen Fehler ... aber Halt! Hatte Nicole die Frau nicht
zur Seite genommen und mit ihr geflüstert? Und dann hatte sie Lydia
zugeblinzelt und bemerkt, dass sie in dem köstlichen Farbton der Seide bestimmt
umwerfend aussehen werde.
Wenn ich
mich zu weit vorbeuge, ganz bestimmt, dachte Lydia, während sie die Hand auf
ihren Ausschnitt legte und sich vorbeugte.
Dann richtete sie sich auf und beugte sich abermals vor, dieses Mal ohne die
schützende Hand. Entsetzt riss sie die Augen auf. „Oh, mein Gott! Sarah! Sarah!“
Die Zofe
kam, eine weiße silberdurchwirkte Stola über dem Arm. „Mylady?“
„Sarah, ich
muss etwas anderes anziehen! Das Kleid passt nicht. Der Ausschnitt ...“
Kritisch
musterte Sarah ihre Herrin. „Es passt nicht? Ich sage, es passt Ihnen
großartig! Außerdem hat Lady Nicole dafür gesorgt, dass alle Ihre Roben ...
also, sie ist, Ihnen eine gute Schwester, Miss, bestimmt!“
Diesen
Augenblick wählte Charlotte, um einzutreten. Sie schwenkte ein samtbezogenes
Kästchen. „Tanner wartet, Lydia, aber mir fiel gerade ein, dass Nicole mich
gebeten hatte, dir meinen Saphirschmuck zu leihen, wenn du diese Robe –
oh!“
Begeistert
knickste Sarah. „Ja, Euer Gnaden, was ich Ihnen gesagt hab'! Sie sieht einfach
toll aus, nicht wahr?“
„Hm, toll,
ja. Ich merke schon, auf wen das abzielt“, sagte Charlotte amüsiert und
umrundete Lydia einmal. „Es ist gut, Sarah. Geh nur.“
„Aber sie
soll erst ...“
„Lydia,
lass sie gehen. Du siehst wunderschön aus. Du bist wunderschön.“
Wollte ihr
denn niemand zuhören? Hatten sie alle keine Augen? „Ich ... ich ... zeige
alles – wie Mama!“
„Schatz,
deine Mutter würde eine Herde Ziegen opfern, um auszusehen wie du heute
Abend.“ Charlotte kicherte amüsiert. „Obwohl die Ähnlichkeit auffällt, ja.
Und Helen Daughtry war und ist noch
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