Kasey Michaels
ehrfürchtiges „Oh, Mann
...“, von dem Lakaien in der Halle.
Ob Nicole
doch recht hatte?
Ermutigt
von der ungewollten Schmeichelei betrat sie den Salon und steuerte
selbstbewusst auf Tanner zu, der beim Kamin stand.
Dann sah
sie seine leicht ungläubige Miene. Hastig widerstand sie dem Drang, ihr
Dekolleté mit den Hände zu verdecken, und wandte sich der dunkelhaarigen
Schönen zu, die sich erhoben hatte, um vor den beiden Damen zu knicksen.
Tanner kam
heran und übernahm die Vorstellung.
Kaum hatte
er das erledigt, sagte Miss Harburton: „Lady Lydia, ich kann gar nicht sagen,
wie sehr geehrt ich mich fühle, Ihre Bekanntschaft zu machen. Wie sehr ich mich
freue, Gesellschaft zu haben, das heißt, wenn wir erst diese trübsinnig vielen
Leute in der endlosen Schlange hinter uns
gebracht haben, die alle unsere Gastgeberin begrüßen möchten. Wie befreite Gefangene
werden wir uns in den Ballsaal stürzen, nur dass wir da in ein noch größeres
Gefängnis geraten – so kommen mir Ballsäle nämlich immer vor – wo wir warten
müssen, bis uns ein Herr aus dem Mauerblümchendasein erlöst, der dann erwartet,
dass wir uns über seine Aufmerksamkeit schrecklich geschmeichelt fühlen und
deshalb hingebungsvoll zuhören, wenn er während des gesamten Tanzes über sich
und seine Zukunftsaussichten schwafelt oder gar über den Schnitt seiner Weste.
Finden Sie nicht auch?“
Vor Erstaunen
stand Lydia der Mund offen; sie schaute zu Charlotte, die angelegentlich ihre
Fingernägel betrachtete, und dann zu Rafe, der anscheinend kurz davor stand,
sich das Krawattentuch vom Hals zu zerren und es Miss Harburton in den Mund zu
stopfen.
„Äh, ja,
ich denke schon?“, brachte Lydia endlich heraus.
„Gut“,
flüsterte Tanner ihr zu, dem es irgendwie gelungen war, an ihre Seite zu
gelangen. Immer noch gedämpft fuhr er fort: „Lydia, erlauben Sie mir zu sagen,
dass Sie nie reizender ausgesehen haben; das ist die reine, unleugbare
Wahrheit, und ich sage es jetzt, weil auf dem Wege zu Lady Chalfont keiner von
uns mehr zu Wort kommen wird. Gehen wir?“
Das waren
prophetische Worte, denn Jasmine redete und redete ununterbrochen bis hin zum
Portland Place, dann während der langsamen Prozession die Prunktreppe hinauf
zum Ballsaal und immer noch, als sie den riesigen Saal durchquerten, Mrs
Shandy, Jasmines Anstandsdame, immer im Schlepptau. Die Gute war fast taub und
wusste sicher nicht, wie dankbar sie für ihr Gebrechen sein konnte.
„Du musst
Durst haben, Jasmine“, meinte Tanner, nachdem er ihnen zu Plätzen auf den
entlang der Wände aufgestellten Sitzen verholfen hatte. „Und Sie, Lydia?“
„Ja,
bitte“, entgegnete sie, wobei sie sich fragte, ob sie wohl zu deutlich wäre,
wenn sie ihn auf Knien anflehte, sie nicht mit diesem süßen, aber redefreudigen
Plappermaul alleinzulassen.
Kaum war
Tanner fort, seufzte Jasmine aus tiefstem Herzen. „Wie gut! Ich bin so
unvernünftig nervös, wenn er um mich ist. Und dann rede und rede ich, und meine
Zunge bewegt sich wie von selbst und bringt die albernsten Sachen heraus. Sie
müssen mich für ein komplettes Dummchen halten.“
„Nein,
natürlich nicht“, erwiderte Lydia schwach und faltete die behandschuhten
Hände züchtig im Schoß. „Aber Tanner ist doch Ihr Verwandter. Warum sollte er
sie nervös machen?“
Jasmine
verdrehte ihre ausrucksvollen smaragdgrünen Augen – mit diesen Augen und dazu
dem schwarzen Haar war sie wirklich eine Schönheit. „Es ist wegen Papa
natürlich. Er erzählt überall, dass Tanner und ich heiraten werden. Es war der
letzte Wunsch seines Vaters – Tanners Vater, verstehen Sie? Sicher verstehen
Sie, denn sonst müsste er ja tot sein, mein Vater, meine ich. Oh
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