Kasey Michaels
entlockte.
Den
zweiten, fünften und achten Tanz hatte der Baron sich reserviert, also drei
Tänze, wie von ihm erwähnt. Doch wie er unterschrieben hatte, brachte Lydia zum
Lächeln.
Wilde,
Wilder, am Wildesten.
Was war er
doch für ein fantastisch interessanter Mann.
Ihr Captain
war sanft, fast schon respektvoll gewesen, ihrer beider Zuneigung drückte sich
nur in sehnsüchtigen Blicken aus, nie in Worten oder gar Taten. Mehr und mehr
wurde ihr bewusst, dass er nicht einfach ihre erste Liebe gewesen war, sondern
ihr Aufbruch ins Leben, nicht der Endpunkt.
Tanner war
ein Mann von Ehre und ein guter Freund – der in ihrer Gegenwart federnden
Schrittes ging, wie Sarah behauptete – mit einem ziemlich nachdenklichen
Ausdruck in den Augen, als sie heute den Salon betreten hatte. Sie wusste
immer schon – und fürchtete es anfangs, dass er mehr für sie sein könnte als
nur ein Freund –, doch sie hatte nie überlegt, dass er das wissen
könnte. Außerdem stand der Captain zwischen ihnen, ein Band, doch gleichzeitig
eine Schranke.
Baron
Justin Wilde allerdings war ein Mann, wie sie ihn mit ihrer begrenzten
Erfahrungen noch nicht getroffen hatte, ein Mann, der sie nur necken mochte –
oder aber unter seinen Neckereien ein vielleicht mehr als beiläufiges
Interesse verbarg?
Oh je, sie
fühlte sich langsam wie die Heldin in einem Groschenroman. Fehlte nur noch ein
böser Stiefvater oder die berüchtigte finstere Burg mit dem Burggeist.
4. Kapitel
anner und Justin lehnten an der
Balustrade des Balkons, der sich vor dem Ballsaal entlangzog, und tranken in
freundschaftlichem Schweigen ihren Wein, während sie hinaus in den nächtlichen
Garten schauten, dessen schmale Wege anheimelnd von Fackeln erhellt wurden.
Es tut gut,
Justin Wilde wieder daheim zu wissen, dachte Tanner. Als junge Männer, gerade
von der Universität entlassen und frisch von Lande, hatten sie großartige
Zeiten miteinander erlebt, begierig, die Welt zu erkunden und ihr vielleicht
einen eigenen Stempel aufzudrücken. Sie hatten gelacht, hatten Pferderennen
besucht, sich in schlecht beleumdeten Kneipen betrunken und ein oder zwei
Opernsängerinnen beglückt. Jung waren sie gewesen, so schrecklich jung, und das
ganze Leben hatte vor ihnen gelegen.
Nun schien
diese Erinnerungen aus einer anderen Welt zu stammen, aus einer anderen Zeit,
aus der vor Justins Heirat, vor seiner Flucht auf den Kontinent, vor den langen
Kriegsjahren.
So viele
Freunde hatten sie in diesem Krieg verloren, alles gute Männer, und darunter
Fitz. Man musste zu den Freunden halten, die einem geblieben waren, musste
ihnen zur Seite stehen.
„Weißt du,
ich verstecke mich nicht hier draußen“, sagte Justin nach einer Weile.
Bedachtsam
hielt Tanner den Blick auf ein Pärchen geheftet, ein nicht miteinander
verheiratetes Pärchen, wohlgemerkt, das wohl den Weg zu weniger gut
beleuchteten Pfaden suchte. „Aber nein, der Gedanke käme mir nie.“
„Da drin
ist es mir nur zu voll. Die Frau muss ganz London eingeladen haben. Und
offensichtlich kam ganz London.“
„Vielleicht
sogar manche davon uneingeladen.“
„Die
Bemerkung überhöre ich lieber. Wenn es kein Spielzimmer gibt, können Bälle
sehr langweilig sein, findest du nicht auch?“
„Ja,
zweifellos. Langweilig. Und der Wein ist warm. Alles in allem eine deutlich
enttäuschende Unterhaltung. Ich habe keine Ahnung, warum wir überhaupt hier
sind. Warum sind wir hier, Justin? Und mit hier meine ich diesen Balkon.“
Justin
leerte sein Glas und starrte eine Weile nachdenklich hinein. „Gut, gut, da du
so hartnäckig bist, will ich zugeben, ich verstecke mich, na, ein bisschen
wenigstens. Auf Moltons Reaktion war ich nicht gefasst. Bei anderen
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