Kasey Michaels
ruhige Fassade geschaut und dort etwas gefunden, das ihm
gefiel, das er liebte. Wie hätte sie seine Liebe nicht erwidern können?
Sie beide
hätten ihr Leben lang glücklich und zufrieden sein können.
Lydia
blinzelte die Tränen fort, die ihr in die Augen gestiegen waren. Er hatte sie
geliebt. Sie hatte ihn geliebt. Diese eine Wahrheit konnte, wollte sie nicht
aus ihrem Gedächtnis löschen, wie sehr sie sich auch manchmal in Gedanken
plagte. Und sie würde ihren Captain Swain Fitzgerald nie, niemals vergessen.
Sie mochte während des vergangenen Jahres gelernt haben, ohne ihn zu leben,
aber da war auch stets Nicole an ihrer Seite gewesen ...
Nicoles
Welt war nicht die Welt, wie Lydia sie wollte. Sie lächelte nicht so
bereitwillig wie ihre Schwester, sie war wenig vertrauensselig, sie verbarg
sich lieber hinter Büchern ... und hinter Nicoles übersprudelnder,
extrovertierter Art. Sie erfuhr das Leben lieber aus zweiter Hand.
Nun würde
sie sich allein der Welt stellen müssen. Es war eine niederdrückende, wenn
nicht erschreckende Vorstellung für jemanden von Lydias stiller Gemütsart.
Am liebsten
hätte sie nun London verlassen, wäre nach Ashurst Hall geflüchtet, zurück zum
ruhigen Landleben. Aber Rafe war nun der Duke, und er hatte seine
Angelegenheiten hier in der Stadt noch nicht erledigt, deshalb würde sie erst
frühestens im Juni wieder heimkehren. Er war viel zu beschäftigt, als dass er
ihr seine kostbaren freien Abende widmen konnte, um sie auf Gesellschaften zu
begleiten. Seine Gattin Charlotte ging nicht aus, denn sie erwartete ihr erstes
Kind; und Mama, wieder einmal verwitwet, lebte zurzeit in Italien ... und nun
war auch Nicole fort.
Wie konnte
sie Bälle und Abendgesellschaften und Soireen überstehen, einzig begleitet von
ihrer Anstandsdame? Mrs Buttram würde mit den anderen Damen gleicher
Profession plaudern, und sie, Lydia, würde Mauerblümchen spielen, wie die
anderen faden Debütantinnen, diese verzweifelten jungen und weniger jungen
Damen, die auf den Heiratsmarkt geschubst wurden, damit sie einen reichen oder
zumindest einen mit einem Titel versehenen Gemahl angelten.
Die
Schmach, eine fast leere Tanzkarte zu haben, nur hie und da von einem jungen,
gelangweilten Gentleman aufgefordert zu werden, den seine Mutter geschickt
hatte, oder von einem Glücksritter kaum verhüllt nach der Höhe ihrer Mitgift
ausgeforscht zu werden ... allein der Gedanke daran erzeugte Lydia körperliche
Übelkeit.
Natürlich
konnte sie immer darauf zählen, dass Tanner Blake mindestens einmal mit ihr
tanzte. Er war es gewesen, der ihnen im Vorjahr die Nachricht vom Tod Captain
Fitzgeralds überbracht hatte.
Eben diesen
Tanner Blake, den Duke of Malvern, hatte Lydia damals der Lüge bezichtigt.
Ihre Welt war zerbrochen, ihre Träume waren zerschellt, und in einem Anfall von
Raserei, wie er ihr sonst fremd war, hatte sie ihn sogar geschlagen, hatte ihn
gehasst für das, was er ihnen mitteilte, und sich wild gegen ihn gewehrt, als
er sie tröstend mit seinen starken Armen umfing.
Sie war
ungerecht gegen ihn gewesen, das wusste sie. Sie hatte ihm die Schuld gegeben,
ihm, dem Überbringer der Unheilsbotschaft. Seit jenem schrecklichen Tag hatte
sie, beschämt ob ihres ungehörigen hysterischen Ausbruchs, ihr Möglichstes
getan, dem Duke auszuweichen. Die zeitweilige Rückkehr nach Ashurst Hall hatte
ihr Zeit gegeben, hatte sie hoffen lassen, dass er ihren Gefühlsausbruch, dass
er sie vergessen werde.
Nur wollte
der Mann sie einfach nicht in Ruhe lassen. Seit sie zur neuen Saison wieder in
die Stadt gekommen waren, und selbst jetzt, da er vermutlich nur ein paar Tage
vor
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