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Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
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geändert. Sie machte Anstalten weiterzugehen.
    »Tut mir leid, Miss, heute muss ich alle Taschen überprüfen.«
    »Klar, kein Problem.«
    »Hier ist auch die Hölle los.« Er nahm sich erst ihre Handtasche, dann die Aktentasche vor. »Ich bin heute allein. Meinen Kollegen haben sie hochgeschickt zu Nummer eins.«
    »Tatsächlich?« Sie erlaubte sich ein kleines Lächeln.
    Er betrachtete ihre Einkäufe.
    »Bei Safeway gibt es heute Hühnchen im Angebot«, informierte sie ihn.
    »Tatsächlich? Gegen einen saftigen Schenkel hätte ich auch nichts einzuwenden.« Er zwinkerte ihr zu, worauf sie ihm ein gewinnendes Lächeln schenkte. Er warf noch einen Blick auf die anderen Sachen: Offenbar war sie an der Reihe, den Kaffee fürs Büro zu besorgen, und das Mittagessen bestand heute lediglich aus einem Sandwich.
    In ihrer Harrods-Tasche befanden sich Kleidung und ein Paar Schuhe.
    »Geht’s heute Abend noch auf eine Party?«
    »Genau das habe ich vor«, erwiderte die Hexe.
    »Danke, Miss«, sagte der Wachmann.
    »Keine Ursache.«
    Sie ging zum Aufzug, drückte den Knopf und wartete.
    Der Aufzug kam. Sie stieg ein und drückte den Knopf für die dritte Etage. Auf dem Weg nach oben bewegte sie nicht einmal die Augenlider. Sie starrte stur geradeaus, selbst als der Aufzug im Erdgeschoss anhielt und ein paar Leute einstiegen. Vor den Aufzügen paradierten Wachmänner. Sie würdigten sie keines Blickes. Sie ihrerseits sah durch sie hindurch. Dann fuhr der Aufzug weiter nach oben. Sie stieg in der dritten Etage aus und steuerte den Konferenzraum an. Fehlte nur noch, dass sie ausgerechnet diesem Schleimer von gestern in die Arme lief. Blishen, Mr. Verschränkte Arme. Aber sie hatte Glück. Sie inspizierte in beide Richtungen den Flur, sah, dass ihr niemand Beachtung schenkte, und öffnete die Tür des Konferenzraums.
    Drinnen ging sie rasch zu Werke. Sie nahm die beiden Hühner und langte in die Hohlräume, in denen sich die Plastiktütchen mit den Innereien befunden hatten, bevor sie sie in der Victoria Station ins Klo geworfen und hinuntergespült hatte. Jetzt enthielten die hohlen Hühner kleine weiche Päckchen, die mit grauer Plastikfolie und schwarzem Klebeband umhüllt waren. Sie warf die Hühner in den Papierkorb und klappte die Sandwichverpackungen auf, die sie zuvor geöffnet und mit winzigen, durchsichtigen Klebestreifen wieder verschlossen hatte. In den Sandwiches befanden sich dünne Kupferdrahtspulen, kleine Anschlussbuchsen sowie ein winziger Schraubenzieher. Sie verband die beiden Päckchen mit mehreren Stücken Draht. Während sie schnell und ruhig ihr Werk verrichtete, drückte sie einen Fuß gegen die Tür, damit niemand sie von außen öffnen konnte.
    Schließlich war sie zufrieden. Zeit für eine Pause, dachte sie. Sie nahm die große Kaffeedose aus der Tasche und öffnete den Deckel. Das Klo im Bahnhof Victoria Station hatte viel schlucken müssen: Innereien, Sandwichbeläge und jede Menge Kaffeegranulat. Die blonde Perücke im Innern der Dose roch immer noch nach Kaffee. Sie schüttelte die braunen Sprengsel aus der Perücke und warf die Dose in den Papierkorb zu den Hühnern.
    Dann nahm sie die Kleidung und die Schuhe aus der Tragetasche und zog sich um. Mit Hilfe eines Lippenstifts und eines Handspiegels schminkte sie sich die Lippen zinnrot. Make-up ist der Beginn jeder Verwandlung. Das hatte sie schon in jungen Jahren auf der Kirmes gelernt: Sie konnte auf Wunsch eine Jungfrau oder eine Hure sein, zwölf oder sechzehn, volljährig oder noch unmündig. Sie konnte lächeln, wenn sie eigentlich traurig, und weinen, wenn sie in Wahrheit glücklich war. Sie hatte ihr ganzes Leben zu einem Verwandlungsspiel gemacht, bis der Ire gekommen war …
    Sie betrachtete sich und blinzelte. Eine Frage hatte in ihrem Kopf Gestalt angenommen. Wer bin ich? Sie schüttelte die Frage ab, wie sie ihre Perücke ausgeschüttelt hatte. Sie wusste, wer sie war. Sie wusste, was sie war. Und sie wusste, warum sie hier war.
    War das nicht mehr, als die meisten Menschen wussten?
    Als sie die Harrods-Tasche umstülpte, war sie nur noch eine einfache weiße Stofftasche mit grünen Trageschlaufen. Die Hexe legte ihren Walkman neben der Tür auf den Boden und zog den Kopfhörer heraus. Das Gerät verfügte über einen eingebauten Lautsprecher und, was eher ungewöhnlich war, über eine automatische Rückspul- und Wiederholfunktion. Die Hexe tauschte ihre Ohm- und Herzschlagkassette gegen eine andere aus und drückte auf Play.
     
    Im

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