Kastell der Wölfe
sollte...
***
Es war wirklich eine Fahrt durch eine Gegend, die man mit dem Begriff Heile Welt umschreiben konnte. Dass sich hier Wölfe herum treiben konnten, wäre niemandem in den Sinn gekommen, der zum ersten Mal diesen Flecken Erde betrat.
Bill und ich hatten die Tiere gesehen, daran gab es keinen Zweifel. Wir gingen nach wie vor davon aus, dass sie sich in der Nähe aufhielten.
Dr. Wilson hatte sich in den Fond des Porsche hineingeklemmt. Der Mann war sichtlich aufgeregt.
Der Ort Chailey war nicht groß, aber auch hier musste man sich zurechtfinden. So waren wir froh, einen ortskundigen Führer bei uns zu haben, der uns den Weg wies.
Da wir von der anderen Seite gekommen waren, entdeckten wir jetzt die Felder, auf denen noch das meiste Getreide stand und so eine alte Lesebuch-Idylle vermittelte.
Obwohl die Sonne schon beinahe untergegangen war, erlaubte uns ihr Licht noch eine gute Sicht. Und so bemerkten wir auch schnell den Hof, der unser Ziel war.
Der Arzt erklärte uns, dass wir das linke der beiden Gebäude anfahren mussten. Es war die Scheune, vor der sich nichts bewegte. Es gab keinen Hund, wir sahen auch keine Hühner auf dem mit Grashalmen bedeckten Platz. Er war einfach nur leer.
Leider war auch von Archie und seinem Spielkameraden nichts zu sehen. Das gefiel uns nicht, aber wir sprachen nicht darüber. Es konnte sich auch alles als ganz harmlos herausstellen.
Die Reifen des Porsche wühlten Staubwolken auf, als wir über den Vorplatz fuhren. Bill bremste scharf, wir beide stiegen hastig aus dem Wagen und warteten trotzdem, bis sich der Tierarzt aus dem Fond hervorgequält hatte.
Ich hatte bereits das offene Tor der Scheune gesehen und war schon einige Schritte auf den Bau zugelaufen, als sich die breite Tür leicht bewegte. Jemand drückte von innen dagegen. Es sah so aus, als wollte jemand die Scheune verlassen.
Das traf auch zu, nur war es kein Mensch, sondern ein grauer Wolf, der stehen blieb und uns aus seinen kalten Augen anstarrte...
***
Das Bild sah aus, als wäre es von einem Maler geschaffen worden. Weder der Wolf noch wir bewegten uns. Vor Überraschung waren wir erstarrt. Damit hatten wir nicht gerechnet, obwohl wir ja wussten, dass es die vier Wölfe gab, die in den Ort eingefallen waren.
Das Tier bewegte sich nicht, und wir bewegten uns ebenfalls nicht. Ich wollte nichts provozieren. Dass Bill und der Tierarzt sich ebenfalls so verhielten, empfand ich als beruhigend.
»Sie sind wieder da!«, flüsterte Dr. Wilson. »Verdammt, was ist mit Archie und Timmy?«
Ich enthielt mich einer Antwort. Wir mussten davon ausgehen, dass sich die zwei Jungen noch in der Scheune aufhielten – und dass ihnen möglicherweise etwas passiert war.
Wir mussten hinein, vorbei an dem Wolf, der dort hockte wie ein Aufpasser und sich nicht vom Fleck bewegte. Allerdings würden wir kaum eine Chance haben, an ihm vorbeizukommen, ohne angegriffen zu werden. Er knurrte. Er hechelte, sein Fell sträubte sich, und Bill, der dicht an mich herangetreten war, flüsterte: »Ich denke, dass wir schießen sollten.«
»Abwarten.«
»Nur nicht zu lange. Wer weiß, was mit den beiden Kindern passiert ist. Das kann ins...«
Das Tier bewegte sich urplötzlich. Es schickte uns noch ein Kläffen entgegen, und einen Augenblick später zuckte sein Körper vor. Ein langer Sprung, der die Distanz zwischen uns und dem Tier verringerte. Es sah so aus, als wollte es einen von uns an springen.
Bill huschte einen Schritt von mir weg. Er zog seine Waffe, und ich riss ebenfalls die Beretta hervor.
Wir schossen beide nicht, denn was nun geschah, war nicht das, was wir erwartet hatten.
Es floh!
Nach einem kurzen Schlenker zur Seite raste es weg. Es war ein Hetzen und Springen. Es jetzt zu treffen wäre reine Glückssache gewesen, außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass es etwas brachte.
Zudem musste ich an die beiden Kinder denken, die wir noch immer nicht zu Gesicht bekommen hatte. Der Weg zur Scheune war frei. Ich rannte zuerst auf die Tor zu, getrieben von einer inneren Angst. Hinter mir hörte ich die Schritte des Tierarztes und meines Freundes Bill.
Die Tür stand zwar offen, doch nur weit genug für einen Wolf, nicht für mich. Fast wütend zerrte ich sie auf, sodass ich endlich freien Blick in den Bau bekam.
Wäre es strahlend hell gewesen, so hätte ich schon beim ersten Hinschauen erkannt, was sich hier verändert hatte. Leider war die Sicht zu schwammig, aber zugleich freute ich mich, dass ich von
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