Kastell der Wölfe
nicht in der Lage war, einen Schrei auszustoßen, damit ihnen jemand zu Hilfe kam.
Die vier Tiere hatten die jungen vor Angst stumm gemacht. Aber sie konnten nicht über Stunden hier vor den Jungen hocken und lauern. Es musste etwas geschehen.
Archie schwitzte. Noch nie hatte er sein Herz so laut klopfen hören. Das Blut war ihm in den Kopf gestiegen, und manchmal verschwammen die Bilder vor seinen Augen. Seine Kehle war ausgetrocknet. Er spürte einen wahnsinnigen Durst. Er hätte auch nicht mehr sprechen können, sondern nur krächzen, und allmählich reifte in ihm die Überzeugung, dass die Wölfe nur wegen ihm hierher gekommen waren.
Was dann passierte, geschah ohne Vorwarnung. Zudem teilten sich die Tiere auf. Zwei sprangen aus dem Stand auf den Heuballen zu. Wuchtig warfen sie sich gegen den nicht eben fest auf dem Boden stehenden Gegenstand.
Archie hatte noch versucht, sich aufzurichten. Er stand für den Bruchteil einer Sekunde da wie eine Puppe. Ein Schrei drang immer noch nicht über seine Lippen.
Zusammen mit dem Heuballen fiel er um.
Glücklicherweise befand sich der Boden nicht zu tief unter ihm. Der Aufprall war nicht so stark, dass er ihn hätte bewusstlos werden lassen. Er sah, dass auch der Ballen kippte und ihm dabei die Sicht nahm. Deshalb bekam er nichts von den Aktivitäten der beiden anderen Wölfe mit.
Sie kümmerten sich um Timmy, der ebenfalls nicht in der Lage war, sich zu wehren. Sie sprangen ihn an und holten den Jungen von den Beinen.
Er wollte schreien, aber dieser Schrei wurde erstickt, bevor er aus seiner Kehle dringen konnte. Plötzlich saß ein Tier auf seiner Brust, sein Maul stand weit offen, und das weißgelbe Gebiss schwebte dicht über der Kehle des Jungen.
Zugleich hörte er das leise Knurren. Er roch den Atem des Tiers, der ihm widerlich und zugleich warm vorkam. Mehr war nicht nötig. Timmy wusste sofort, wie er sich zu verhalten hatte. Dafür sorgte schon sein Überlebensinstinkt.
Er bewegte sich nicht. Er war zur Statue geworden. Obwohl das Maul des Tiers so dicht vor seinem Gesicht schwebte, kam es ihm verschwommen vor.
Die drei anderen Tiere kümmerten sich um Archie. Bisher noch sorgten sie dafür, dass er starr auf dem Boden liegen blieb. Archie war von drei Seiten eingekreist.
Da passierte das, was er die ganze Zeit befürchtet hatte. Die Wölfe schnappten nach ihm und...
Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass sie ihn ganz sanft packten. Ihre scharfen Zähne hätten die Kleidung des Jungen locker durchtrennt, um dann in das Fleisch zu dringen. Das hatten sie nicht vor. Sie bissen zwar, aber sie bissen nicht zu. Sie zerrten an ihm, sie rissen ihn hoch, sie knurrten, als wollten sie mit ihm kommunizieren.
Archie verstand sie nicht. Er fiel immer wieder zurück auf den Boden. So mussten die Tiere erneut zuschnappen, sich festbeißen und ihn über den Boden schleifen.
Jetzt wusste Archie Bescheid. Sie wollten, dass er die Scheune verließ. Er sollte von ihnen nach draußen geschafft werden, und was dort mit ihm passieren würde, wusste er nicht.
Sie schleiften ihn über den Boden. Staub und Dreck begleiteten ihn als Wolken. Sie nahmen Archie auch die Sicht, sodass er von seinem liegenden Freund nur die Umrisse sah. Er wurde schnell vorbeigezogen, bevor er Einzelheiten erkannte.
Ein Tier hatte sich an seiner Schulter »verbissen«. Dort spürte er auch den Abdruck der Zähne intensiver. Nur hatte das Tier etwas anderes mit ihm vor und biss nicht zu. Immer wieder versuchte es, ihn anzuheben, und kurz vor der Tür begriff der Junge, was damit überhaupt gemeint war. Er startete einen Versuch, und keines der Tiere hinderte ihn daran, auf die Beine zu kommen.
Es war beinahe perfekt. Er konnte sich erheben. Sie ließen ihn auch laufen, und er ging mit kleinen, aber schnellen Schritten auf die offene Tür zu.
Sie blieben dicht bei ihm. Sie stießen ihn an und zeigten ihm so, was er zu tun hatte.
Archie lief ins Freie. Für einen Moment stieg in ihm der Gedanke hoch, dass die Tiere von ihm fortlaufen würden, um ihn allein zu lassen. Da allerdings irrte er sich. Die Wölfe wollten, dass er weiterlief. Sie bestimmten das Ziel, nicht er.
Und so trieben sie ihn an. Hinein in die Felder, auf denen das Korn noch hoch stand. Es würde erst später geerntet werden und gab jetzt eine hervorragende Deckung ab.
Hinter den Feldern führte der Bach entlang. Danach begann der Hang, der hochführte zu dem eigentlichen Ziel, in das der Junge verschleppt werden
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