Kastner, Erich
waltete seines Amtes.
»Haben Sie etwa Zigaretten oder Schokolade geschmuggelt?«
fragte Storm flüsternd.
»Nein«, sagte Külz und schloß schweren Herzens seinen Koffer auf.
Der Beamte trat zu ihm und fragte Verschiedenes in seiner Sprache.
Herr Achtel sprang in die Bresche und redete lebhaft auf den Mann ein. Dabei legte er seinen Arm um Külzens Schulter.
Der Beamte griff in den Koffer, holte einen weißleinenen großen Knäuel hervor und fragte etwas.
»Er will wissen, was das ist«, meinte Philipp Achtel.
»Das ist mein Nachthemd, wenn er nichts dagegen hat«, antwortete Külz gereizt.
Die anderen lachten. Achtel erklärte dem Beamten die Bedeutung des Linnengewandes. Der Mann stopfte es in den Koffer, klappte dann den Kofferdeckel zu, blickte die Fahrgäste streng an, salutierte kurz und kletterte wieder aus dem Wagen.
Külz atmete auf, schloß erleichtert seinen Koffer zu und verwahrte den Schlüssel sorgfältig im Portemonnaie. »Ein unangenehmer Kerl!« sagte er. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir so beigestanden haben. Ich dachte schon, er würde mein Nachthemd beschlagnahmen!«
»Und nun können Sie in den Speisesaal gehen, lieber Külz«, meinte der kleine Storm. »Ich bleibe hier unten. Ich kann heute kein Wasser sehen. Und Aquavit schon gar nicht!«
»Wir reservieren Ihnen Ihren Platz«, meinte Karsten.
»Vielen Dank!« sagte Külz. »Sie sind alle so furchtbar nett zu mir. Ich komme mir schon wie Ihr Großvater vor.« Er nahm seinen Koffer und öffnete die Wagentür. Ehe er hinunterstieg, griff er in die Jackentasche, holte eine Schachtel hervor und lächelte schadenfroh.
»Sehen Sie«, meinte er, »und ich habe doch Zigaretten geschmuggelt!«
»Sie sind ein Mordskerl!« rief Herr Storm anerkennend.
Und Papa Külz kletterte stolz aus dem Abteil auf die Schiffsplanken.
Die Fahrgäste der ersten und zweiten Klassen hatten in dem eleganten und lichten Speisesaal Platz genommen oder standen in tätiger Bewunderung vor den langgestreckten Tafeln, auf denen vom Hummer angefangen bis zu den Schwedenfrüchten mit süßer Sahne alles zu finden war, was Herz und Magen begehren. Sie beluden ihre Porzellanteller mit den Herrlichkeiten, die sich darboten, und kehrten lüstern an ihre Tische zurück.
Dieser Weg wurde von vielen des öfteren zurückgelegt. Denn ob man nichts oder ein Fuder aß – der Preis war der gleiche.
Die Ostsee schlug Wellen. Manchmal tauchte im Rahmen der Fenster der Himmel auf, und manchmal das Meer. Besonders empfindsame Reisende legten Messer und Gabel müde aus den Händen und preßten die Lippen fest aufeinander. Welch ein Jammer!
Doch im allgemeinen ging es ohne Zwischenfälle ab. -
Herr Struve hatte sich zu Irene Trübner gesetzt, obwohl sie, als er sich ihrem Tisch näherte, nicht gerade einladend dreinschaute. Nun aß er eifrig. Sie stocherte mit der Gabel in etlichen Salaten herum.
»Angst um die schlanke Linie?« fragte er.
»Nein«, erwiderte sie. »Ich habe überhaupt keine Angst.«
»Das ist viel wert«, sagte er.
Sie betrachteten einander prüfend, schwiegen und aßen weiter. Da erschien Fleischermeister Külz auf der Bildfläche, samt Knotenstock und Koffer, und sah sich suchend um. Als er Fräulein Trübner entdeckte, leuchteten seine Züge auf. Er wanderte vorsichtig über das spiegelglatte Parkett, bis er vor ihrem Tische stand. Er verbeugte sich und fragte, ob es gestattet sei.
Sie lächelte behutsam und nickte.
»Külz«, sagte der alte Tiroler und lüftete den Velourshut.
»Struve«, erklärte der junge Mann.
Der Fleischermeister nahm Platz und sah sich in der Gegend um.
»Aha! Hier ist Selbstbedienung. Wie in der Volksküche.« Er erhob sich wieder. »Darf ich Sie bitten, gut auf meinen Koffer zu achten?«
fragte er die junge Dame und zwinkerte bedeutsam mit den Augen.
Dann entfernte er sich.
»Sie kennen den Mann?« fragte Struve.
»Seit gestern. Ein hochanständiger Mensch.«
»Mir gegenüber sind Sie weniger vertrauensselig.«
Sie setzte sich kerzengerade und sagte hoheitsvoll: »Alles zu seiner Zeit!«
Er schwieg und beschäftigte sich mit seinem Geflügelsalat.
Dann kehrte Papa Külz zurück. Er balancierte einen schwer beladenen Teller, schielte nach seinem Koffer und sank erschöpft in den Stuhl. »Das reinste Delikatessengeschäft«, behauptete er. »Ich fürchtete schon, ich käme wegen der blöden zweiten Zollkontrolle überhaupt nicht mehr zum Essen!«
»Weswegen?« fragte der junge Mann.
»Wegen der zweiten
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