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Kastner, Erich

Kastner, Erich

Titel: Kastner, Erich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die verschwundene Miniatur
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mir!« fiel Karsten ein.
    Ein anderer fragte: »Zigaretten rauchen Sie wohl gar nicht? Wie wär’s mit einer Lucky Strike?«
    Papa Külz betrachtete die Etuis und Schachteln, die sich ihm entgegenstreckten, nicht ohne Rührung. »Außerordentlich liebenswürdig, meine Herren! Aber das kann ich doch gar nicht annehmen!«
    Herr Philipp Achtel schien gekränkt. »Wollen Sie uns beleidigen?«
    »Behüte!« sagte der alte Mann erschrocken und steckte Schlüssel und Portemonnaie wieder weg. »Zigaretten habe ich selber. Die hab’
    ich doch aber für meine Kinder geschmuggelt.« Er schielte zu Achtels Etui hinüber, zögerte und griff endlich zu. »Ich bin so frei.«
    Drei Passagiere gaben ihm Feuer.
    Külz setzte sich und betrachtete die Runde voller Rührung. Das heißt, den Halunken, der ihn mit der Zollkontrolle angeschwindelt hatte, den ließ er aus. »So viele reizende Leute«, sagte er, und dann schmauchte er gemütlich vor sich hin.
    Die anderen atmeten auf und lächelten gewinnend.
    »Eine ausgezeichnete Zigarre«, meinte der Fleischermeister.
    »Nicht zu kräftig und nicht zu mild. Darf ich fragen, was Sie dafür bezahlt haben?«
    Herr Achtel nannte den Preis. Anschließend rechnete Herr Storm geschwind vor, wieviel deutsche Reichspfennige dreißig Öre seien.
    »Das werde ich nie lernen«, stellte Papa Külz fest. »Gestern verlangte ich doch in Kopenhagen tatsächlich eine Sechspfennigmarke!
    Wenn mein Freund Storm nicht war, wäre ich glatt aufgeschmissen gewesen.« Er lachte. Die anderen lachten mit.
    »Übrigens habe ich die Karte im Hotel liegenlassen«, gestand Herr Külz treuherzig. »Meine Emilie wird denken, ich bin gestorben!«
    »So rasch stirbt man nicht«, meinte Philipp Achtel.
    »Na«, sagte Herr Storm. »Das geht manchmal sehr schnell.« Er schwieg und verschränkte die Hände, daß die Finger knackten. »Ich habe einen Mann gekannt, der war Kassierer bei einer großen Bank…«
    Papa Külz blickte seinen Freund Storm mit großen Augen an.
    »Und?« fragte er besorgt.
    Der kleine Storm winkte ab. »Wozu an alten Wunden rühren?«
    meinte er ergriffen. »Der Mann war mein Freund.«
    »Verkalkung?« fragte Külz.
    »Nein. Er wurde, als er Bankgelder bei sich hatte, auf der Straße angesprochen. Man bat ihn um Feuer, wenn ich nicht irre. Und dann fiel er um.«
    »Herzschlag?« fragte Külz.
    »Nein. Eine Stricknadel. Spitzgefeilt. Zwischen die Rippen gesto
    ßen.«
    Papa Külz schauderte.
    »Was es so alles gibt!« meinte Herr Achtel und konnte es kaum fassen. »Es gibt so schlechte Menschen!«
    »Ja«, sagte Külz. »Da haben Sie recht.« Er warf einen vernichtenden Blick in jene Ecke, in der sein Feind saß. Dann besann er sich.
    »Aber die meisten Menschen sind glücklicherweise anständig.«
    Die anderen nickten.
    »Zweifellos«, erklärte Herr Achtel. »Was sollten wir sonst anfangen?«
    Die anderen musterten ihn mißbilligend.
    Külz blickte aus dem Fenster und zuckte zusammen.
    Denn an der Reling stand der weißbärtige Herr aus der Pension Curtius und schaute herüber.

8. KAPITEL
    DAS MÄRCHEN VOM BRAVEN MANN
    Die Sonne schob die Wolken wie Flügeltüren auseinander und beleuchtete das Trajekt »Danmark« und die übrige Welt. Sie beschien, einem alten Brauche folgend, Gerechte und Ungerechte und machte keine Ausnahme.
    Ist das nun wirklich pure Großzügigkeit, daß sie alle bescheint?
    fragte sich der Herr, der Rudi hieß. Es wird Bequemlichkeit sein, weiter nichts. Wenn man sich vorstellt, sie beschiene nur die Guten, und die Bösen nicht – welche Mühe und welche Verwicklungen! Er hatte die Augen geschlossen und lag der Länge nach in einem Bordstuhl. Für die Hüter der Ordnung, meditierte er, wäre es freilich praktischer, wenn’s anders wäre. Sie gingen dann einfach bei Sonnenschein auf die Straßen und Plätze und verhafteten kurzerhand alle Menschen, die von der Sonne nicht beschienen würden! Es ist allerdings fraglich, ob die Verbrecher unter solchen Umständen bei Sonnenschein noch spazierengingen.
    Er streckte die Arme aus und räkelte sich. Und er dachte: Wahrscheinlich gingen sie nur noch nachts aus. Und bei strömendem Regen. – Dadurch nähmen die Länder mit sechsmonatiger Regenzeit einen ungeahnten Aufschwung. Dank des Fremdenzustroms. Auch jene Gegenden, in denen monatelang keine Sonne scheint, würden aufblühen. Denn wie viele Menschen könnten sich denn noch ohne Bedenken in die Sonne wagen?
    Er lächelte spitzbübisch vor sich hin und malte sich, mit Sorgfalt

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