Kastner, Erich
Fräulein Trübners Handtasche die echte Miniatur verschwunden! Die Miniatur war weg. Die Diebe waren weg. Und ein guter Freund von uns war auch weg. Wahrscheinlich haben sie ihn mitgeschleppt. Schade. Es war ein sehr netter junger Mann. Aus Berlin. Rudi Struve heißt er.«
Fräulein Trübner sagte: »Hoffentlich ist ihm nichts Ernstliches zugestoßen!« Sie schwieg eine Weile. Dann raffte sie sich auf. »Ich muß sofort mit Brüssel telefonieren. Mein Chef ist in Brüssel. Ich muß ihm den Diebstahl mitteilen.«
Die zwei Wachtmeister blieben lange Zeit stumm.
»Reden Sie nicht so viel«, bat Külz. »Immer hübsch einer nach dem andern!«
»Wollen Sie uns zum Revier begleiten?« sagte der eine Polizist.
»Weit kann die Bande noch nicht sein. Wir müssen sofort die umliegenden Reviere benachrichtigen. Und das Rostocker Präsidium.«
Der andere Wachtmeister öffnete die Tür. »Darf ich bitten?«
»Noch einen Moment!« bat Oskar Külz. »Ich muß Ihnen ordnungshalber mitteilen, daß ich den Oberkellner und einen Spediteur namens Ehmer im Dunkeln etwas hart angefaßt habe. Ich dachte, es wären Diebe.« Er war niedergeschlagen. »Ich mache aber auch alles verkehrt!«
»Das ist zur Zeit nicht so wichtig«, behauptete der eine Wachtmeister.
Sein Kollege an der Tür wiederholte: »Darf ich bitten?«
Da kam ein Kellner aus dem Saal herausgestolpert.
»Aha«, brummte Külz. »Wir haben noch nicht bezahlt.«
Irene Trübner holte eine Banknote aus der Handtasche und gab den Geldschein dem Kellner. »Es stimmt«, fügte sie hinzu.
Der Kellner verbeugte sich tief. »Es war nicht deswegen«, erklärte er. »Die Herrschaften haben etwas auf dem Tisch liegenlassen.«
Er hielt ein Päckchen und einen Brief in der Hand.
Külz griff hastig zu. »Die falsche Miniatur!« rief er. »Und der Brief, in dem mich die Kerle so beschimpft haben. Geben Sie das Zeug her!« Er steckte beides ein und erklärte: »Nächstens vergesse ich noch den Kopp!« Er wandte sich an die zwei Wachtmeister:
»Das macht die Verkalkung, meine Herren.«
Irene Trübner flüsterte: »Bitte, kommen Sie, Papa Külz! Wir haben’s eilig!«
12. KAPITEL
VATER LIEBLICHS GROGKELLER
Die sechs Autotaxen sausten wieder über die nächtliche Chaussee.
Sie fuhren nach Rostock zurück.
Im letzten Wagen saß der weißbärtige Herr. Er hatte die dunkle Brille abgenommen. Auf die Dauer behindern schwarze Brillengläser die Sicht. Ganz besonders bei Menschen mit kerngesunden Augen.
Professor Horn blickte angespannt durch das kleine Fenster in der Wagenrückwand. Genaugenommen blickte er nicht durch das Fenster, sondern durch das Loch, das dadurch entstanden war, daß er das Fenster herausgeschnitten hatte. Ein Mensch, der eine Schußwaffe in der Hand hält und damit rechnet, daß sich Motorfahrzeuge nähern könnten, in denen Polizisten sitzen, kann zwar eine Schießscharte gebrauchen. Aber kein Fensterglas davor.
Professor Horn hatte die Absicht, in die Reifen solcher Autos, die ihm mißfielen, Löcher hineinzuschießen. Das ist eine verhältnismä
ßig humane und trotzdem recht wirksame Methode, Leute, die es eilig haben, am schnellen Vorwärtskommen zu hindern.
Im ersten der sechs Taxis saßen die Herren Storm, Achtel und Karsten. Und der Mann, der auf der Fahrt nach Warnemünde einem Ringkämpfer geähnelt hatte. Er hatte sich inzwischen verändert.
Nicht zu seinem Vorteil. Auf der niedrigen Stirn hatte er mehrere Beulen. Und die Nase saß ihm schräg im Gesicht und war verschwollen. Man hätte denken können, er sei in eine Dreschmaschine geraten.
»Du mußt dir morgen unbedingt einen neuen Hut kaufen«, sagte der kleine Herr Storm. »Dein Kopf ist mindestens um zwei Nummern größer geworden.«
»Ein Blödsinn, im Finstern klauen zu wollen«, knurrte der deformierte Ringkämpfer. »Nun weiß ich nicht einmal, wem ich die Verzierungen zu verdanken habe. Ich hätte mich gern revanchiert.«
»Man soll nicht so kleinlich sein«, fand Herr Philipp Achtel. »Ich meinerseits bin heilfroh, daß der Überfall im Dunkeln stattfand.«
»Wieso?«
»Ach, mir hing plötzlich ein Weibsbild um den Hals, das gut zwei Zentner mit Knochen wog. Sie klammerte sich an mich, schrie um Hilfe und wollte gerettet werden. Ausgerechnet von mir! Ein Glück, daß wir bald bei Vater Lieblich sind. Ich kann einen Grog gebrauchen.«
Der Ringkämpfer wurde neugierig. »Wieso hast du denn im Dunkeln gemerkt, daß es eine Frau war?«
»Am Vornamen«, erklärte Achtel
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