Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
und wieder einen Scherz erlaube, über den nur ich zu lachen vermag." Er kicherte böse, und in seinen Augen blitzte es furchterregend. Dann wurde er wieder ernst. "Und zweitens: Glaubst du wirklich, dass ein Knabe, noch nicht einmal alt genug, um mit auf Seemammutjagd zu gehen, allein der Aufgabe gewachsen wäre, die dein Durst nach Rache dir stellt?" Er schüttelte den Kopf. "Wohl kaum.“
Das schaurige Wesen, zu dem Wulfgarskint geworden war, knurrte ihn an, dann richtete es die knopfartigen Rattenaugen auf den Leichnam seines gefallenen Vaters, der kaum anderthalb Schritt von ihm entfernt lag.
Ein Laut, der wie ein Wimmern klang, drang aus dem mit Raubtierzähnen bewehrten Rattenmaul.
Auf einmal griff Wulfgarskint nach dem Schwert seines Vaters, richtete die Spitze gegen sich selbst und trieb die Klinge mit einem heftigen Stoß bis ans Heft durch seinen neuen, durch Zauberkraft entstandenen Körper. Die Klinge drang auf dem Rücken wieder heraus – aber kein einziger Tropfen Blut tropfte vom Feuerheimer Stahl.
Ungläubig blickte Wulfgarskint an sich herab. Ein durchdringender Wutschrei entrang sich seiner Kehle.
„Ja, brüll du nur!“, rief der Herr des Augenmonds. „Der Handel, den wir miteinander geschlossen haben und dem deine Seele zustimmte, als ich mit ihr heute den ganzen Tag Zwiesprache hielt, ist gültig und kann nicht so einfach außer Kraft gesetzt werden!“
Der untote Rattenmann riss sich das Schwert aus dem Leib, fasste es am Griff und an der Klinge und bog es mit dermaßen gewaltiger Kraft, dass der Feuerheimer Stahl klirrend brach. Beide Teile schleuderte er davon, dann bedeckte er sein Rattengesicht mit beiden Pranken.
„Nach und nach wirst du deine Kräfte entdecken“, sagte der Todverkünder. Er deutete hinauf zum Augenmond. „Und ich werde dich beobachten und mich über deine Bemühungen amüsieren.“
Ogjyr trat auf den Rattenmann zu, der nun neben seinem toten Vater kniete. Seine Hand berührte den Kopf der traurigen Kreatur.
„Dies wird von nun an deine wahre Gestalt sein – bis deine Seele mir dereinst auf den Augenmond folgt, um dort meiner Unterhaltung zu dienen. Aber mir ist schon klar, dass es bisweilen sinnvoll ist, in der Gesellschaft Sterblicher kein Aufsehen zu erregen. Darum gab ich dir die Fähigkeit, zeitweise auch wieder deine alte Gestalt anzunehmen …“
Die Hand Ogjyrs ballte sich zur Faust, und der Körper des Rattenmannes schrumpfte erheblich zusammen, veränderte sich, und schließlich kniete die vergleichsweise schmächtige Gestalt des vierzehnjährigen Jungen, der Wulfgarskint gewesen war, am Boden.
Er sprang auf, betastete ungläubig seine Arme und sein Gesicht. Dann roch er an seiner Kleidung, die genauso fleckig und vermodert war wie diejenige, die der Rattenmann getragen hatte, und zum Schluss berührte er die Stelle knapp unterhalb seines Brustbeins, wo ein Loch klaffte. Genau dort, wo sich der Rattenmann das Schwert in den Leib gerammt hatte.
„Diesmal habe ich es für dich getan“, sagte Ogjyr gönnerhaft. „Aber du wirst noch merken, wie kräftezehrend es ist, eine andere als seine natürliche Gestalt zu tragen. Du wirst lernen, wie es geht – aber ich kann dir nur raten, dir genau zu überlegen, wann du diese Fähigkeit anwendest.“
„Aber – dies ist meine natürliche Gestalt!“, behauptete Wulfgarskint schleppend und ziemlich fassungslos. Sein Gesicht war zu einer starren Maske gefroren. Die Augen flackerten leicht, und das pure Entsetzen hatte sich tief in seine Züge gegraben.
Ogjyr kicherte auf eine Weise, die für die Ohren jedes sterblichen Zuhörers außerordentlich unangenehm war. „Nein, das ist ein Irrtum.“
Wulfgarskint roch an seinem Gewand. Der Gestank von Moder und Verwesung haftete ihm an – schlimmer, als es bei jedem Totengräber der Fall gewesen wäre.
Eine Falte erschien auf seiner Stirn, während er aufsah und in das leuchtende Mondgesicht des Todverkünders blickte.
„Die Aura des Todes umgibt dich, Wulfgarskint", sprach dieser. „Manche werden es bemerken, andere werden es nicht spüren wollen, und bei wieder anderen sind die Sinne so abgestumpft, dass sie es nicht registrieren können. Den Umgang mit Letzteren solltest du bevorzugen. Schon aus praktischen Erwägungen heraus." Ogjyr hob einen Arm und streckte den dürren Zeigefinder aus. „Und nun geh. Geh und töte. Und unterhalte mich!“
3. Kapitel:
Das kosmische Tor
Sie betraten das Innere der Orakelhöhle, und der Weise
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