Katagi (Drachenfluch Zweites Buch) (DrachenErde - 6bändige Ausgabe) (German Edition)
begleitete, um seinen Zögling in der Kunst des Drachenreitens zu unterweisen, blieb Bratlor auf dem Plateau vor dem Kuppelgebäude zurück. Zwar waren unter den Gegenständen, die Liisho gesammelt hatte, auch zahlreiche Schriften, von denen Bratlor zumindest den Teil hätte lesen können, der in neuer drachenischer Schrift verfasst worden war. Aber Liisho bewahrte diese Schriften in einem eigenen Raum auf, den er verschlossen hielt, und ließ Bratlor nur dann darin stöbern, wenn er selbst anwesend war. Bei den Ausflügen durfte Bratlor sie nicht begleiten, denn – so sagte der Weise - ohne ihn könne sich Rajin intensiver seiner Ausbildung widmen, und er – Liisho – wollte nicht auf Bratlor aufpassen müssen, während er Rajin unterwies.
Bratlor schlug daraufhin vor, dass Liisho doch vielleicht auch ihm das Drachenreiten beibringen könnte. Immerhin könnte es beim Kampf um den Drachenthron von Drakor nur nützlich sein, wenn Rajin einen treuen Begleiter an seiner Seite hätte, der auch selbst einen Drachen zu beherrschen wüsste.
Doch davon wollte Liisho nichts wissen. Er brachte alle möglichen Argumente dagegen vor, unter anderem, dass man dafür ein weiteres Reittier vom Nordweststrand der Insel holen müsste und dass in Bratlors Adern nicht ein einziger Tropfen Samurai-Blut fließe und daher jede Bemühung schon im Vorfeld zum Scheitern verurteilt wäre.
„Und was fließt in deinen Adern für besonderes Blut?“, fragte Bratlor daraufhin aufgebracht. „Das sind doch alles nur Ausreden! Der wahre Grund für deine Ablehnung mir gegenüber ist ein ganz anderer!“
„Ich bin nicht gewillt, dieses Thema weiter zu erörtern“, gab der Weise zurück. „Dazu bleibt auch keine Zeit!“
„Du traust mir noch immer nicht – das ist das eigentliche Problem!“, behauptete Bratlor. „Nicht irgendwelches Blut oder dergleichen Unsinn! Angeblich war es kein Risiko, dass du mich allein auf Ayyaam zurückgelassen hast, als du zu Rajin gegangen bist, um im die Stachelsäge zu bringen. Du hast behauptet, dass du den Geist deines Drachen jederzeit unter Kontrolle hast!“
„Das ist auch zutreffend“, behauptete Liisho.
„Nun, dann wäre es ebenfalls kein Risiko, mich auf einem Drachen reiten zu lassen, den du beherrschst!“
„Wie ich sehe, hast du den wesentlichen Kern des Drachenreitens nicht begriffen, Bratlor“, hielt Liisho dagegen. „Nimm es mir nicht übel - ich habe ohnehin meine Zweifel, ob überhaupt ein Seemanne in der Lage wäre, das zu verstehen. Und damit ist diese Unterhaltung auch beendet. Ich war großzügig, als ich dich hier in Qô und an der Seite meines Zöglings geduldet habe, und ich bin durchaus bereit, diese Großmütigkeit auch weiterhin aufzubringen. Aber du solltest meine Gastfreundschaft nicht über Gebühr strapazieren.“
Bratlor erkannte, dass er Liisho bis auf Weiteres in dieser Sache nicht umstimmen konnte. So vertrieb er sich zumindest am Tag die Zeit mit Streifzügen durch die Ruinenstadt. Doch auch wenn ihn die Stimmen der Vergessenen Schatten inzwischen einigermaßen ruhig schlafen ließen, so sah er doch immer zu, dass er vor Einbruch der Dunkelheit wieder auf dem Plateau und damit innerhalb von Liishos Bannkreis war. Er war nämlich keineswegs erpicht darauf, diesen geheimnisvollen Kreaturen plötzlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und von ihnen angegriffen zu werden. Manchmal waren sie schon zu hören, kurz nachdem der Blutmond aufgegangen war, in anderen Nächten warteten sie, bis der Schneemond seinen Zenit erreichte, um dann allerdings um so lauter ihr Wehklagen und Schreien anzustimmen.
Als Rajin den Weisen Liisho einmal daraufhin ansprach, erklärte dieser: „Die Vergessenen Schatten sind eben in jeder Hinsicht unberechenbar. Das sollte man immer im Hinterkopf behalten. Allerdings habe ich in all den Jahren, da mir dieser Ort nun schon als Versteck dient, noch keinen von ihnen bei Tageshelle gesehen oder gehört. Vor dem Aufgang des Blutmonds und nach dem Untergang des Schneemonds möchte man glauben, dass sie gar nicht existieren, dass Qô nicht eine Stadt ist, deren Bewohner einst ein grausames Ende fanden, sondern ein Ort, den die Einwohner freiwillig verließen, um sich anderswo, in der Hoffnung auf ein besseres Leben, niederzulassen.“
So sehr Rajin unter den nächtlichen Jammern und Stöhnen und Schreien litt, so machte ihm doch etwas anderes noch viel mehr zu schaffen: Der Gedanke, dass Nya offenbar nach wie vor eine Gefangene des
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