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Katakomben (van den Berg)

Katakomben (van den Berg)

Titel: Katakomben (van den Berg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Prayon
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worden, an dem See am Café Belga“, erzählte
Deflandre nervös, der stets die flämischen Namen für die Stadtteile benutzte.
„Ausgerechnet in Ixelles“, erwiderte van den Berg mäßig begeistert. „Hast du
noch mehr?“ „Er war nicht allein. Hat sich mit einem Typen getroffen. Ich habe
eine vage Beschreibung von dem.“ „Da bin ich aber neugierig.“ „Helle, längere
Haare, Sonnenbrille. Er war sportlich gekleidet – aber die Zeugin war nicht
sonderlich präzise.“ „Wer ist die Zeugin?“ „Eine junge Tussi, die in der Nähe
in einem Möbelgeschäft arbeitet. Sie hängt ständig im Belga rum und macht da Pause.
Der ist ihr wegen seiner Größe aufgefallen. Er war wohl öfters da, immer mit
dem gleichen Typen.“ „Paul“, sagte der Kommissar, während er Deflandre
gedankenverloren anstarrte.
    Der
Jäger stieg in den Aufzug, der sich lautlos in Bewegung setzte. Für ihn war es
kein Tag wie jeder andere, es galt, von einem seiner Mädchen Abschied zu
nehmen. Ekatherina hatte vor zwei Tagen ihren 20. Geburtstag gefeiert.
    Bevor
ein Mädchen sterben musste, gab es in den Katakomben immer das gleiche Ritual.
Der Königssaal, der größte Raum des Kellergewölbes, verwandelte sich in ein
Meer von großen weißen Kerzen. In der Mitte stand ein riesiges Himmelbett, das
mit edler Seidenbettwäsche hergerichtet war. An den Wänden des Raumes waren zwanzig
Stühle postiert, drei von ihnen blieben diesmal leer. Nachdem der Jäger das
letzte Mal mit dem Mädchen zusammen war, war es an Dimitri, seinen ersten
Auftrag zu erledigen. Der Jäger schaute gebannt auf den Monitor. Die Nummer 5
bewegte sich nicht. Sie hielt sich in einem der kleinen Zimmer auf, die in der
Mitte der Katakomben gelegen waren. Er wollte selbst nach ihr suchen.
Ungeduldig entschied er sich, diesmal das Rad zu nehmen, eine
Spezialanfertigung aus Carbon. Natürlich war das Profi-Bike für die Katakomben
vollkommen überdimensioniert, aber der Jäger stand auf das Außergewöhnliche, auf
technische Perfektion. Geschmeidig bewegte sich das Rad über den scheinbar
endlosen grauen Asphalt. Zwischen der Fahrbahn und dem Laufband waren dezente
Hinweisschilder montiert, die den Weg zu den knapp einhundert Zimmern und Sälen
beschrieben. Als der Jäger an seinem Ziel ankam, erschrak er. Der Raum war
leer. Er dachte nach. Er wollte auf dem Monitor nachschauen, wohin sie sich
bewegt hatte, als er etwas unter dem Sessel erspähte. Er erkannte sofort, dass
es Blut war. Auf dem Boden klebte ein kleines Stück Fleisch, das nur wenige
Zentimeter groß war. Der Jäger hob es auf und begriff sofort, was das zu
bedeuten hatte. Er lief zu dem Rechner, der in der Ecke des Raumes stand, und
tippte fünfmal die 8 in die Tasten, den Alarm-Code. Angewidert blickte er auf
seine blutigen Hände. Noch nie hatte der Jäger Alarm auslösen müssen. Das
Geräusch der Sirene kannte er, er erinnerte sich daran, wie er die Anlage in
Betrieb genommen hatte. Aber es passierte nichts, alles blieb still. Der Jäger
hämmerte die Ziffern ein zweites Mal in den Rechner auf die blutverschmierten
Tasten. Aber noch immer rührte sich nichts. Hier ist etwas faul, dachte sich
der Jäger. Er schwang sich auf das Rad und raste zum Fahrstuhl. Auf dem Weg
dorthin fragte er sich, ob das Verschwinden von Nummer 5 und der Ausfall des
Alarmsystems etwas miteinander zu tun hatten. Ihn überfiel ein Gefühl der
Panik. Er spürte, dass er die Kontrolle verloren hatte, er musste erst einmal
raus hier. Er kam am Aufzug an, wo einer seiner Wachleute patrouillierte. Als
er im Begriff war, die Kabinentür zu öffnen, gelang es ihm, wieder einen klaren
Gedanken zu fassen. Es brachte nichts, davon zu laufen, es gab ein Problem und
das musste sofort gelöst werden. Er tippte eine E-Mail, in der er Hugo anwies,
sofort zu kommen und Dimitri mitzubringen. Es gelang ihm, die Wachmannschaft
auch ohne funktionierendes Kontrollsystem schnell zusammenzutrommeln. Seine
Ohnmacht war verflogen, der Jäger war wieder ganz er selbst. Ein heftiges
Gefühl der Wut durchzog ihn wie ein Stromschlag. „Bringt mir die Nummer 5. Sofort!“,
schrie er wie von Sinnen. Die Wachmannschaft kannte die cholerischen Züge des
Despoten. Schon bei weitaus belangloseren Anlässen war er zur Furie geworden.
Aber diesmal war es keine bloße Gefühlsregung, jetzt war er zu allem bereit. Er
wies den Techniker an, sofort das System zu überprüfen und die Wachen schickte
er los, das Mädchen zu finden. Die Uniformierten zerstreuten sich

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