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Kater mit Karma

Kater mit Karma

Titel: Kater mit Karma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Brown
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Menschen verändert, wenn sie Eltern werden. Annie wuchs und gedieh und ihre Mutter und ihr Vater verwandelten sich in ernsthafte Erwachsene, denen ihre Tochter wichtiger war als sie selbst.
    Lydia studierte nun schon seit knapp zwei Jahren Psychologie und hatte weiterhin nur beste Noten. Regelmäßig stand der graue Bus vor unserem Haus, und daneben sammelte sie Spenden für die Buddhistische Gesellschaft an der Universität. Ihr Leben erschien mir allzu ernsthaft. Die unzähligen Stunden, die sie meditierend in ihrem Zimmer im oberen Stock verbrachte, machten sie zu einem von der Welt gelösten, vergeistigten Wesen. Manchmal hatte ich den Eindruck, wir wohnten mit einem Phantom zusammen und nicht mit einer Fünfundzwanzigjährigen. Meine Sorge über ihre tiefe Hingabe an die Religion wurde noch überboten von der, dass sie dadurch ihre Identität verlieren könnte. Ich hatte Angst, dass unsere Tochter uns wie ein Luftballon entschweben könnte. Gelegentlich hörte ich sie lebhaft auf Singhalesisch telefonieren. Sie stand also nach wie vor mit dem Kloster in Kontakt.
    Ungefähr zu dieser Zeit war meine Nachsorgeuntersuchung fällig. In der Nacht davor wachte ich auf und konnte nicht mehr einschlafen. Seit der Mastektomie und seit Jonah in unser Leben geplatzt war, waren bereits unglaubliche zwei Jahre vergangen. Jonah war mittlerweile ein ausgewachsener Kater. Wenn ich jetzt die Angelrute zu schnell schwang, fauchte er.
    Was meine Gesundheit anging, war ich in den letzten zwei Jahren häufig von irgendwelchen Wehwehchen geplagt worden, denen ich vor meiner Krebserkrankung keinerlei Beachtung geschenkt hätte. Gelegentlich litt ich auch unter einer kaum zu bezwingenden Müdigkeit. Allerdings war ich auch dumm genug gewesen, während der akuten Krankheitsphase ein Buch fertig zu schreiben.
    Mit meiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert worden zu sein machte mir mehr zu schaffen, als ich gedacht hätte. Zwar war der Gedanke an mein Lebensende längst nicht so schrecklich wie der Verlust von Sam, aber ich stellte überrascht fest, dass ein winziger Teil von mir wider alle Vernunft überzeugt war, ich würde ewig leben. Dieses Überbleibsel aus jüngeren Tagen, in denen ich nie übers Sterben nachgedacht hatte, war nicht gerade hilfreich. Nachdem mir klargeworden war, wie schnell das Leben vorbei sein konnte, gewann es an Intensität. Durch den Krebs hatte ich gelernt, wie eine Katze zu leben und jeden Moment zu genießen.
    Ich hatte unglaublich schöne Dinge erleben dürfen, Robs Hochzeit, den großen, auch internationalen Erfolg des Buchs über Cleo, und die Freude, eine Enkelin auf der Welt willkommen zu heißen. Mein Glas war randvoll.
    Ich war mit Philip am Krankenhaus verabredet und versicherte vor meinem Aufbruch Katharine und Lydia, dass sicher alles in Ordnung sei – auch wenn ich selbst nicht ganz überzeugt davon war. Mit einem Kreuzworträtselbuch zur Beruhigung in der Handtasche parkte ich vor dem Krankenhaus und fuhr mit dem Aufzug in den vierten Stock. Nach der chinesischen Zahlensymbolik ist vier eine Unglückszahl. Acht dagegen ist eine ausgesprochene Glückszahl. Mir war mulmig zumute, als der Aufzug nach oben glitt, daher verdoppelte ich die vier im Stillen und tat so, als würde ich in den achten Stock fahren.
    Im Wartezimmer harrten meiner dieselben Architekturzeitschriften wie vor zwei Jahren. »Marrakesch trifft auf Malibu«. Die Leute wohnen auch deswegen in schönen Häusern, weil sie meinen, sie wären dadurch geschützt vor den hässlichen Schlägen, die das Leben austeilt.
    Mut, so musste ich leider feststellen, gehört nicht zu meinen vorherrschenden Charakterzügen. Zwei Jahre zuvor war es mir jedenfalls leichter gefallen, keine Angst vor Brustkrebs zu haben, da wusste ich nämlich noch nicht, wovor ich keine Angst hatte.
    Ich nahm mir einen Pappbecher und entlockte einem Hahn ein wenig heißes Wasser, in das ich einen Beutel Pfefferminztee tauchte. Wenigstens war ich gesundheitsbewusster geworden. Eine rothaarige Frau in Armeeuniform trat aus dem Aufzug. Eine alte Griechin mit lila geäderten Beinen ließ sich ächzend auf dem Stuhl neben mir nieder. Ein paar Stühle weiter saß eine verbittert aussehende Frau, deren gefärbte Haare zu einem Igelschnitt gestutzt waren. Eine junge Inderin kam, um ihre Verbände wechseln zu lassen. Der Brustkrebs ist nicht wählerisch. Sie sagte zu der Krankenschwester, letzten Donnerstag sei sie um hundert Jahre gealtert.
    Dass die meisten Frauen hier im

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