Kater mit Karma
verliebt war, dass es glaubte, nur ein Kätzchen könnte sein Glück noch vergrößern. Düster sagte ich: »Tun Sie’s nicht. Kaufen Sie sich einen Hund, schaffen Sie sich ein Kind an. Alles, nur nicht eine dieser Katzen.«
Sie sahen mich überrascht an. Sie mussten mich für ein böses, verbittertes altes Weib halten oder auch für bekloppt. Ich wickelte mir meinen Schal um den Kopf und eilte zurück zum Tierarzt. Auf dem Regal stand nur noch eine Riesenflasche des Katzenurin-Neutralisierungsmittels. Wir waren nicht die Einzigen mit dem Problem.
Ich wusste, dass Jonah am Fenster sitzen würde, wenn ich nach Hause kam. Er würde mich an der Haustür in Empfang nehmen und zu meinen Füßen miauen. Meine Nase würde in Alarmbereitschaft sein und jede neu hinzugekommene unangenehme Geruchsnote wahrnehmen. Ich würde das Haus nach verräterischen Flecken auf Fensterbrettern oder am Treppengeländer absuchen.
Wie erwartet sah ich beim Öffnen des Gartentors seine Silhouette hinter dem Bleiglasfenster. Der edle Kopf, die schmalen eleganten Gliedmaßen, der würdevolle lange Schwanz – wie konnte ein so schönes Geschöpf so viel Unheil anrichten? Seine Augen funkelten und er riss sein rosafarbenes Maul auf und miaute anklagend, als er mich entdeckte. Noch war ich nicht bereit, ihm in die Augen zu schauen. Ich schleppte die große Flasche Neutralisierer den Gartenweg hoch, stellte sie auf der Veranda ab und flüchtete mich über die Straße zu Spoonful.
Die Stimmung an diesem Abend war auf einem Allzeittief. Wie betäubt nahm ich wahr, dass Lydia die hässliche Mütze trug (ich nahm mir vor, den richtigen Moment abzupassen, um sie taktvoll wissen zu lassen, dass ihr Kopfbedeckungen mit Krempe besser standen).
Als Philip aus dem Büro kam, wurde das Thema Rauswurf weiträumig umgangen. Die Mädchen und ich stellten Jonahs Tag im schönsten Licht dar. Er hatte nirgendwo hingepinkelt. Wir logen sogar und sagten, er sei die Ruhe selbst gewesen. Er hätte eine Fliege gefressen und mehrere Stunden geschlafen, ohne jemanden zu belästigen oder anzuraunzen. Sämtliche beunruhigenden Teile meines Gesprächs mit Vivienne auslassend, erklärte ich, das morgendliche Fehlverhalten sei nur eine nervöse Reaktion auf die Rückkehr von Jonahs allerliebstem Menschen auf Erden gewesen. Es würde nicht mehr vorkommen.
Nach dem Abendessen setzten wir uns zu viert vor den Fernseher, nachdem wir drei Frauen Jonah sicherheitshalber des Wohnzimmers verwiesen hatten, falls er sich wieder danebenbenehmen wollte. Wir schauten Nachrichten und ich versuchte, Lydias rotbraune Mütze und das beständige Miauen vor der Tür zu ignorieren. Durch den unteren Spalt schoben sich zwei Pfoten. Das jämmerliche Miauen wurde von Klopfen abgelöst. Die Mädchen und ich sahen uns an. Philip blickte mit grimmigem Gesicht starr geradeaus. Lydia stand auf und öffnete die Tür. Sofort galoppierte Jonah herein. Zwischen seinen Zähnen steckte ein Handschuh, dessen Finger uns munter entgegenwedelten. Mit gesenktem Kopf und eingeklemmtem Schwanz lief er zu Philip und legte den Handschuh unterwürfig vor ihm ab.
»Siehst du«, sagte Lydia an Philip gerichtet. »Er entschuldigt sich.«
Jonah hüpfte auf Philips Schoß und leckte ihm die Hand. Mein Mann senkte den Blick. Einen Moment lang fürchtete ich, er würde Jonah verscheuchen. Zögernd, so als begegnete er Jonah das erste Mal, hob Philip die Hand und strich ihm über den seidigen Rücken. Jonah gähnte und rollte sich auf seinem Knie zusammen. Zuneigung stahl sich in Philips Blick. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Vielleicht war der Kampf ja doch noch nicht verloren.
Am nächsten Morgen führte mich mein neu entwickelter Nasenradar schnurstracks zu Lydias Altar. Ein dunkler Fleck hatte sich Richtung Boden ausgebreitet.
So konnte es nicht weitergehen.
34.
Reinigung
Nicht alle Pillen sind bitter.
Viviennes Stimme klang freundlich und mitfühlend.
»Wenn Jonah mein Kater wäre, würde ich ihm ein Medikament geben, Prozac zum Beispiel«, sagte sie am Telefon.
»Aber …«, setzte ich an und hörte meine Mutter aus ihrer Plastikurne kreischen: Prozac? Für eine KATZE???!
»Ja, tut mir leid. Ich weiß, dass wir bereits darüber gesprochen haben und dass Sie dagegen sind, aber Jonahs Probleme sind verhaltenstherapeutisch offenbar nicht zu lösen. Er hat ein Muster entwickelt, das Sie auf diesem Weg nicht durchbrechen können.«
Ich fühlte mich als völlige Versagerin. Wenn es
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